58 - Clara de Flocon

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„Haben wir irgendeine Möglichkeit, eine Systemdiagnostik laufen zu lassen?", fragt der erste Offizier, Tennessee, während sich alle um den langen Beratungstisch der Brücke sammeln.

Ihr fragt euch jetzt vielleicht, wieso nicht sofort Panik ausgebrochen ist und jeder losrennt, um zu irgendeinem Posten zu kommen, nicht wahr? Das Problem mit so einem Systemausfall ist, dass alles an Bord auf die DataWatches gemünzt ist. Das heißt, ohne eine gültige Bereichsfreigabe, kann man sich nur sehr schwer an Orte begeben, an denen man nicht sein sollte - und es heißt auch, dass man ohne funktionierende DataWatch nicht einmal durch die nächste Tür, geschweige denn in einen Aufzug kommt.
Matts Watch ist momentan der einzige Generalschlüssel an Bord. Doch selbst damit würde es Ewigkeiten dauern ohne Aufzüge in andere Teile des Schiffs zu kommen, sprich man muss erst einen Plan aufstellen, um nicht vollkommen ineffektiv durch die Gegend zu irren. Matt stupst mich an und nickt auffordernd in Richtung des ersten Offiziers.

„Wen fragst du das, Tennessee? Siehst du hier einen Ingenieur herumstehen?", fragt Siren bissig zurück. Sie steht unter Stress, wie wir alle, schließlich ist ihr Kreuzer gerade einfach ausgegangen und niemand weiß wieso. Mein Blick ist jedoch trotz der angespannten Situation nicht auf die Generalin, sondern auf Matts DataWatch gerichtet, die vor mir liegt und im Gegensatz zu allen anderen im Raum voll funktioniert.

Normalerweise nimmt man seine Watch nicht einmal zum Duschen ab. Damit, ausgerechnet mir, einer Rekrutin ohne Rang und Namen, diese eigens für die IV. Legion hergestellte Technik in die Hand zu drücken, bricht er zwar so ungefähr alle Gesetze, die der Geheimdienst diesbezüglich aufgestellt hat, aber um Matt zu zitieren: „Was soll's, wir sterben wahrscheinlich eh heute."

Wieder stupst mich der Sunhunter an. Ich schlucke meine Angst hinunter, lege seine Watch zur Seite und stehe auf. Ich bin die jüngste und mit Abstand rangniedrigste im Raum, weswegen die Situation ziemlich ungewöhnlich ist.

„Keine Systemdiagnostik möglich, ohne ins AI Kontrollzentrum hinunter zu steigen, Sir."

„Und wer sind Sie?", fragt Tennessee und setzt seine Brille ab.

„Paris, Sir. Kadettin."

„Kadettin? Was haben Sie hier zu suchen?"

„Sie wird euch den Hintern retten", antwortet der Sunhunter für mich, „Oder hat hier jemand Ahnung von Computern?"

„Eine Kadettin, wirklich?", höre ich den Kapitän zischen.

„Wir folgen dem Shutdown Protokoll auch ohne Systemdiagnose. Alle Schleusen zu den Außenhüllen sind geschlossen, das heißt, selbst wenn es ein Leck gibt, sind wir für den Moment sicher", schaltet sich Siren ein und wendet sich dann direkt an mich, „Irgendeine Ahnung, was den Ausfall ausgelöst hat?"

Mein Magen macht ganz seltsame Dinge unter dem intelligenten Blick der Generalin. Sie hat mich angesprochen, als würde ich an diesen Tisch gehören, als wären wir auf einer Augenhöhe. Man kann viel über Siren sagen, aber sie ist pragmatisch.

„Es gibt ein paar Möglichkeiten, aber wir befinden uns mitten im offenen Raum", was heißt, dass uns keinerlei Magnetfelder oder Ähnliches berühren und mit der Technik spielen könnten, „Das System ist sehr gut gesichert und wurde erst gewartet. Die einzige Möglichkeit, die AI herunterzufahren ist ein Hackangriff. Ein wirklich guter Hackangriff."

Stille senkt sich über den langen Tisch.

„Wir sind ein Militärkreuzer der Föderation, Kind. Wer bitteschön sollte die Mittel haben, sich mitten auf einer offenen Straße an uns anzuschleichen und unsere Technik lahmzulegen?", fragt Tennessee schleppend.

„Ein kleiner Fighter", sagt der Sunhunter, „Sehr gut getarnt und ohne VHN Signatur. ‚Aphel', wenn ich mich nicht täusche."

Ich sehe mich um, doch den meisten Anwesenden scheint der Name nichts zu sagen. Nur Siren sieht aus, als hätte sie in einen vergammelten Apfel gebissen.

SunhuntersWhere stories live. Discover now