39 - Matthias Green

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Das Schneeflöckchen schnarcht wie ein Holzfäller. Wie kann eine so zierliche Person so laut schlafen?

Ich spähe durch das Geländer hinunter zu ihr, bevor ich mich stöhnend auf die andere Seite drehe und mir ein Sofakissen aufs Ohr drücke. Wer auch immer ihr die Nase gebrochen hat, klaut mir gerade meinen Schönheitsschlaf. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und stelle fest, dass es schon vier Uhr morgens ist.

Ich erhebe mich von der Couch, stolpere in der Dunkelheit über eine aus dem Fitnessraum geklaute Hantel und gehe die Treppe hinunter. Der Oktopus beobachtet mich von seiner Zimmerpflanze aus. Wir wechseln einen ratlosen Blick, als ich vor meinem Bett und dem schnarchenden Schneeflöckchen stehen bleibe. Ich gehe neben ihr in die Hocke. Wenn sie jetzt aufwacht, bist du ein creepy stalker, denke ich beklommen.

Aus der Nähe ist es faszinierend, dass sie überhaupt noch Luft bekommt. Ihre Nase macht jetzt einen kleinen Schlenker in der Mitte, als hätte sich jemand beim Zeichnen ihres Gesichts einen Moment lang ablenken lassen.
Du starrst sie an, dude, meldet sich mein Gehirn. Unter dem wachsamen Blick des Oktopus, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Nachtwache über unseren Gast zu halten, nehme ich vorsichtig ihren Kopf und drehe sie zur Seite. Nichts passiert.

Ich richte mich auf, kremple mir dramatisch die Ärmel hoch und rolle sie langsam in Bauchlage. Sie liegt jetzt mit dem Gesicht im Kissen, was für die Sauerstoffzufuhr nicht gerade zuträglich ist. Ich lege ihre Wange sanft auf dem Kissen ab und denke gerade ‚Wow, hat die einen tiefen Schlaf', als sie aufwacht.

Folgendes hätte meiner Meinung nach passieren sollen: „Was machst du da?" Verwirrt blinzelt sie zu mir auf. Ich lasse langsam die Hand von ihrem Gesicht sinken und grinse verlegen. „Sorry. Du hast geschnarcht." Sie wird rot und sieht dabei hinreißend aus.

Folgendes ist wirklich passiert: „Scheiße", brüllt sie, rollt aus dem Bett, reißt mich mit sich zu Boden und landet mit ihren Knien auf meinem Brustkorb. Sie packt mich am Kragen, holt aus, um mir ins Gesicht zu schlagen und lässt ihre Faust niedersausen.

„Ich ergebe mich! Ich ergebe mich!", ich kann gerade noch meinen Kopf zur Seite drehen, sodass sie den Teppichboden boxt. Sie hat meine Arme mit ihrem linken Arm und ihrem rechten Bein vorbildlich fixiert. MacClara ist zwar nicht besonders schwer, aber mein Brustkorb schmerzt unter ihrem Gewicht, während wir uns anstarren. Ihre chaotisch gelockten Haare rahmen ein scheinbar hellwaches und vor Wut verzogenes Gesicht ein. Ihr Blick huscht wiederum über mein Gesicht, als würde sie erst jetzt nachsehen, wen sie da gerade aufs Kreuz gelegt hat.

„Hi", sage ich unnötigerweise, „du kniest auf mir. Nicht so bequem."

„Was zur Hölle?", keucht sie, holt aber nicht nochmal zum Schlag aus.

„Wenn du mir auch noch die Nase brichst, schnarchen wir immerhin beide", ächze ich. Sie lässt mein T-shirt los, gibt meine Hände frei und steht auf, sodass ich wieder frei atmen kann.

„Ich schnarche?"

Ächzend stütze ich mich vom Boden hoch, während sie ihre Nase betastet. Sie sieht so geschockt aus, dass ich beinahe gelacht hätte, wenn sie mich nicht gerade fachmännisch aufs Kreuz gelegt hätte. Ich betaste meine Rippen.

„Nur wenn du schläfst", steuere ich überaus hilfreich bei und knipse die Nachttischlampe an, bevor ich wieder auf die Beine komme. Sie ist verschwitzt, sodass ihre Haut schimmert, wenn sie den Kopf neigt. Es wundert mich, dass sie überhaupt so gut schlafen kann, nachdem sie attackiert wurde. Vielleicht weiß sie, dass Grabsy sich auf der Hängepflanze vor meinem Bett platziert hat, um jeden zu erwürgen, der die Nerven hat, ihr zu nahe zu kommen. Oder, dass ich liebend gerne das Gleiche tun würde, auch wenn ich mich leider nicht an eine der Pflanzen hängen kann.

SunhuntersWhere stories live. Discover now