47 - Matthias Green

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Die Rekrutin, die ich bedroht habe, liegt in einem Bett auf der Krankenstation und rührt sich nicht. Wenn man nicht genau genug hinsieht, könnte man meinen, dass sie aufgehört hat zu atmen.

MacClara sitzt neben dem Bett und ist zusammengerollt auf dem Stuhl eingeschlafen. Ihr Kopf hängt zur Seite und sie schnarcht leise. Wie ironisch, dass ausgerechnet sie Valentina River, wie die frisch operierte Rekrutin eigentlich heißt, hergebracht hat.
Diese sieht vollkommen friedlich aus, wie sie dort liegt, immer noch schlafend und unter Beobachtung.

Stasyas Nachricht hat mich schneller aus dem Bett geholt, als ein dreifacher Espresso. Im ersten Moment dachte ich, Clara wäre verletzt – wieso sonst sollte sie auf der Krankenstation sein – aber als ich auf die Station stürmte und bereit war, sämtliche Menschen zu vermöbeln, die versuchen sich mir in den Weg zu stellen, hat man mir trotz ärztlicher Schweigepflicht relativ schnell gesagt, dass es nicht meine Oktopusbabysitterin ist, die gerade aus dem OP geholt wird.

Den Namen der Verletzten wollte mir auch keiner verraten, aber ich wäre kein Spion der Föderation, wenn ich mich von so einer Lapalie aufhalten lassen würde. Ich stehe nun mit verschränkten Armen vor dem Glas der Tür zu dem Zimmer, in dem man die beiden Rekrutinnen einquartiert hat und kassiere giftige Blicke von den Pflegern und Ärzten.

Stasyas Vater, der Security Mitarbeiter, der mich während meiner ersten Tage auf dieser Sardinendose zu meinen glorreichen Verhören gebracht hat, lehnt in bedrohlicher Nähe an der Wand. Doch die Oberschwester hat wohl eingesehen, dass es das kleinere Übel ist, mich kurz in das Zimmer zu lassen, nachdem ich sämtliche militärische Orden, medizinische Qualifikationen und meinen Diplomatenstatus vor ihr auf die Theke geklatscht habe.
Das war zugegebenermaßen bevor man mir freundlich mitteilte, dass Clara nur die Begleitung der Patientin ist. Ich bin manchmal etwas impulsiv.

Ich klopfe leise, bevor ich in das Zimmer trete, doch das Schneeflöckchen ist bereits in die Höhe geschreckt.

„Was machst du hier?", flüstert sie, gähnt hinter vorgehaltener Hand. Selbst mit völlig zerrupfter Frisur ist sie schlicht erderschütternd attraktiv.

„Ich dachte, sie haben dich eingeliefert. Stasya hat mir Bescheid gesagt."

„Oh Gott", sie presst sich die Handballen auf die Augen, bevor sie mich wieder ansieht, „Wieso sagt sie ausgerechnet dir Bescheid?"

„Das nehme ich jetzt mal nicht persönlich."

Wir sehen zusammen zum Bett hinüber, wo sich der Brustkorb der zweiten Rekrutin im Raum sanft hebt und senkt.

„Was passiert jetzt mit ihr?", fragt Clara. Sie geht davon aus, dass ich ohnehin schon Bescheid weiß und hat damit leider Recht. Ich habe Roachs Akte gelesen, schon bevor ich ihr wegen des Angriffs auf Clara auf den Zahn gefühlt habe. Es war unverschämt einfach, die Datei noch einmal zu öffnen und den aktuellen Befund zu finden. Privatssphäre und Datenschutz sind beim Föderationsmilitär ein schwieriges Thema.

„Das kommt darauf an, was das Tribunal entscheidet. Degradiert wurde sie bereits, aber ich bin sicher, dass sie alles vertuschen wollen. Ich habe eine ... etwas brachiale ... Idee, aber ich wollte dein okay, bevor ich irgendetwas tue."

Sie sieht auf, müde, aber aufmerksam. Hinter ihr sehe ich durch das Glas, wie Siren und Jefferson an der Schwesternstation vorbeiziehen und sich mit den Krankenpflegern anlegen.

„Wir müssen ihr helfen", flüstert sie nur, nachdem ich ihr erklärt habe, was ich ausgebrütet habe.

Draußen wird Stasya laut. Durch das Glas der Tür sehe ich, wie sie gestikuliert, um Jefferson und Siren in die Flucht zu schlagen, doch diese bewegen sich nicht. Ich selbst bin nur hereingekommen, weil ich so eine gute Beziehung zu den Krankenpflegern habe. Doch selbst das hat nur in Verbindung mit der Ausrede gereicht, dass ich MacClara ablösen werde, damit sie irgendwo anders wirklich schlafen kann.

SunhuntersWhere stories live. Discover now