Kapitel 6 - Leben oder Existieren.

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Ich weinte und weinte. Die ganze Zeit saß ich da und dachte darüber nach was passieren würde, wenn plötzlich jemand mein Tagebuch in die Finger bekommt. Als ich die Klingel zur ersten Stunde hörte, ließ ich mein Kopf in meine Hände fallen und spürte bereits das Feuchte an meiner Haut von all dem Weinen. Schluchzend umarmte ich meine Beine und rutschte noch weiter in die Ecke, nun aus Angst das jemand mich entdecken könnte. Das Ganze war so eine verschissene Situation, dass ich mir wünschte ich könnte in meine Tränen ertrinken oder zumindest für heute Nachhause gehen, doch ich wusste das würde auch nichts besser machen.

Total verweint öffnete ich die Tür und ging zu den Waschbecken vor dem riesigen Spiegel, mein Blick für paar Sekunden auf mich selber gerichtet um den Make-up Schaden den ich verursacht habe, leicht zu beseitigen. Schniefend nahm ich meine Tasche und suchte ein paar Taschentücher raus, bevor ich es nass machte und begann mein Gesicht damit abzuwischen. Generell hatte ich heute keine Nerven und keine Zeit mich zu schminken, also war das noch alles von gestern was ich zu faul war wieder abzuwischen. Da die Stunde bereits begonnen hatte war niemand zur Zeit in der Mädchentoilette und ich dankte Gott dafür, dass nicht irgendwelche nervigen Mädchen komische Bemerkungen über mein verheultes Gesicht machen. Ich sah furchtbar aus. Mein Gesicht war verschmiert und meine Augen rot und leicht angeschwollen von all dem Heulen. Seufzend schüttelte ich mein Kopf und entschied mich ein wenig frische Luft zu schnappen bevor ich mich vor Lindsey und Emily stelle mit so einem Gesicht. Ich brauchte Zeit um mir eine gute Ausrede dafür einfallen lassen zu können.

Als ich daran dachte wie jemand lesen könnte was mir passierte als ich 14 war wollte ich gleich wieder zurück in die Toilette rennen und nie wieder aufhören zu weinen. Doch ich musste meine Angst erstmal auf die Seite schieben und versuchen vor Emily und Lindsey ganz normal zu wirken, ich wollte keine unnötigen Fragen mit mehr Lügen beantworten. Ich schwamm schon in Lügen, warum sollte ich ertrinken wollen?

Streckend drückte ich die Metalltür auf und ließ die kühle Luft mein Gesicht treffen, meine Muskeln verspannt von der unbequemen Position auf der Toilette und mein Gehirn pochend wegen all der Sorge die ich momentan in mir trug. Seufzend lehnte ich mich gegen die kalte Wand und wischte mir mit meiner Handoberfläche über mein bereits getrocknetes Gesicht. Wieder einmal dachte ich an die Konsequenzen die ich und auch alle anderen die mir ihre Geheimnisse anvertraut hatten, kriegen würden wenn jemand mein Tagebuch liest. Meine Beine begannen zu zittern also ging ich in die Knie und setzte mich dann ganz auf den Boden, den Schmutz dabei völlig ignoriert der später wenn ich aufstehe auf meinem Hintern picken wird. Eine Träne entwischte mir mal wieder und ich begann leise zu weinen ohne es zu wollen, während meine Hände bebten vor Furcht und mein Herz wild gegen mein Brustkorb hämmerte. Ich hab es so versaut.

"Schlechter Tag, Shortcake?" ich schrie auf als ich die tiefe, dichte Stimme hörte und hob mein verschwommenen Blick wo ich Kyle stehen sah mit einer Zigarette in seinem Mund. Wieder mal trug er nur eine schwarze Jeans mit einem weißen T-shirt, da drüber eine schwarze Jacke worauf ich hastig über mein Gesicht wischte um die Tränen wegzuwischen die mir auf meine Haut klebten."Aw, hat da jemand vielleicht ein gebrochenes Herz? Oder eine schlechte Note?" spottete er, seine Stimme amüsiert und frech worauf ich meine Lippen zu einer dünnen Linie presste vor Wut."Hat Mami dir verboten auf eine Party zu gehen?" er hörte nicht auf."Wird da jemand wütend? Sehe ich da ein Stirnrunzeln? Du bist schon hässlich, sowas macht dich nur potthässlich." ich schloss die Augen und ballte meine Hände zu Fäusten um jede Aktion die ich in meinen Gedanken abspielte nicht zu Realität umzuformen."Mädchen wie dich hasse ich am meisten. Weinen über jeden Scheiß, obwohl du ein tolles Leben hast." wütend stand ich auf und dachte mir nur, dass er endlich sein Mund halten sollte bevor ich etwas sage das ich nicht sollte. Doch es war zu spät."Verurteile mich nicht du scheiß Dreckskerl. Hast du mal Dinge durch meine Augen gesehen? Das erlebt was ich erlebt habe? So viele Tränen geheult wie ich geheult habe? Nein? Dann verpiss dich bis es soweit ist." spuckte ich wütend und stürmte in die Schule ohne einen weiteren Blick zu diesem verschissenen Typen zu werfen. Warum gab es Menschen die dich treten wenn du bereits auf dem Boden bist? War das für sie irgendwie amüsant? Witzig? Befriedigend? Ich wusste es nicht. Und das war auch gut so.

Dear DiaryWhere stories live. Discover now