Kapitel 2| Die Ankunft

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Bekanntlich fließt Magie, sodass sie immer um uns ist. An manchen Orten sammelt sie sich, an anderen ist sie nur schwach zu fühlen, doch sie ist da. Wird im hohen Maß Magie verbrannt, dann entsteht ein magisches Vakuum, umgangssprachlich auch „Loch" genannt. Durch den natürlichen Fluss der Magie füllen sich diese Löcher mit der Zeit aber wieder.

- aus Leubrunners Lehrbuch der Magie, Abschnitt 3.5 Magische Phänomene



Der Schattenlord schüttelte sich, nachdem er rematerialisierte. Ärgerlich blickte er sich um. Jetzt hatte dieser idiotische Lichtbringer doch noch einen von diesen nervtötenden Zaubern gesprochen. Dem Gefühl in seinen Gliedern nach irgend so einen Transportzauber. Wie lästig. In der Zeit mochten seine Gegner vielleicht eine einigermaßen koordinierte Verteidigungslinie gebildet haben. Das würde den Kampf unnötig herauszögern und das wollte der Hexenmeister nicht. Obwohl, wenn er genauer darüber nachdachte, war das vielleicht gar nicht so schlecht. Schließlich konnte er sich dann ein wenig länger an ihrem Leid ergötzen. Nur vorher musste er sich einen Überblick verschaffen.

Herrschaftlich ließ er den Blick schweifen. Um ihn herum lagen die Reste der schwarzen Steine, aus denen sein Turm einst errichtet worden war. Anscheinend hatte Lichtbringers Zauber doch einigen Schaden anrichten können. Ja, Wut konnte eine mächtige Quelle sein, das wusste er selbst nur zu gut.

Viel mehr als die dunklen Schemen der Bäume konnte der Schattenlord um sich herum nicht ausmachen. Nebel blockierte seine Sicht.

Gebieterisch hob er seine Arme und hastig verzog sich die wässrige Brühe, um dem Blick des Meisters Platz zu machen. Was er nun sehen musste, schockierte ihn zutiefst. Von seiner Festung war nicht mehr als eine Ruine übrig. Fataler noch, nirgends sah er eine Spur seiner Schattenarmee. Aber am schlimmsten – der Hexenmeister musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht sofort laut loszubrüllen – da waren Blumen! In seinem Garten! Die Szenerie war derart grausam, dass er den Blick abwenden musste.

Nie hätte er gedacht, dass sein Feind zu einem solch destruktiven Zauber in der Lage war. Wie hatte er nur einen Weg gefunden, Kraft aus seinem Hass zu schöpfen? Das sollte für einen Lichtbringer eigentlich unmöglich sein!

Es knirschte, als er seine mit Eisenhandschuhen bedeckten Hände zu Fäusten ballte. Das würde er ihm heimzahlen! Er würde auch seinen Hass brechen, bis nur noch Leid und Verzweiflung in der armen Seele gedeihen konnten. Er würde ihm den letzten kümmerlichen Rest seiner Macht entziehen und ihn dann endlich erledigen. Aber zuerst musste er an die Front und einen Blick auf die feindlichen Truppen werfen.

„Noctus Porta", grollte der Meister der Finsternis und hob die Arme.

***

Leidend knirschte der Sand unter seinen mit Eisen verstärkten Stiefeln, welche der Hexenmeister mit unbeschreiblichem Hass auf den Boden stampfte, als hätte der Pfad selbst die Schuld an seiner Situation. Nun, eigentlich konnte von „unbeschreiblich" nicht die Rede sein. Tatsächlich war es dem bisher unbekannten Dichter Theodore van da Kritzefeder erfolgreich gelungen, den Hass eines Hexenmeisters in Worte zu kleiden, was auch der Grund war, weshalb er nie berühmt wurde. Kaum hatte van da Kritzefeder die Worte gefunden, starb er an einem Anfall akutem Entsetzens, sprich Herzversagen, weswegen sein Name und sein Erstlingswerk Vom Hass eines Hexenmeisters nie bekannt wurden.

All dies war nach der Zeit des Hexenmeisters geschehen, weshalb er weder etwas davon wusste, noch sich dafür interessierte. Seine Gedanken stießen immer nur auf ein und dasselbe Missverhältnis: Er ging zu Fuß. Er, der mächtigste unter den Hexenmeistern, der Herrscher über die Schatten der Zwischenwelt, der Bezwinger des Lichtbringers, der gefürchtetste Magier in diesem Land – ging zu Fuß! Ein Großteil seiner Macht war an den Turm gebunden gewesen, ja, aber dass noch nicht einmal ein einfacher Transportzauber seine Wirkung zeigte, erzürnte ihn bis ins Unermessliche.

Über ihm zwitscherten Vögel und Sonnenstrahlen fielen durch das grüne Blätterdach. Licht. Wie er es verabscheute. Was war nur aus diesem Wald geworden, den er so gut gepflegt hatte?

Eine Bewegung am Ende des Horizonts lenkte ihn von seinen düsteren Gedanken ab, um Platz für noch düstere zu machen. Jemand näherte sich sehr schnell. Der Hexenmeister kniff die Augen unter seiner tief ins Gesicht gezogenen Kapuze zusammen, um die Gestalt besser erkennen zu können. Ein junger Mann – aber was war das, auf dem er saß? Etwas Derartiges war dem Magier neu.

Gebieterisch stellte er sich in die Mitte des Pfades und hob die Arme.

Sein Gegenüber machte keine Anstalten, langsamer zu werden, sondern gab ein klingelndes Geläut von sich.

„Was maßt er sich an?", rief der Hexenmeister. „Ich befehle dir ...!"

„Aus dem Weg, du Freak!", rief der Mann und schaffte es gerade noch mit einem halsbrecherrischen Bogen, um den Hexenmeister herum zu manövrieren.

Zornig wirbelte der Hexenmeister herum. „Wurm, das war das Letzte, was du in deinem kümmerlichen Leben getan hast!" Er streckte seinen Arm nach dem Radfahrer aus und schrie: „Mortus Infernale!"

„Du mich auch!", rief der Mann aus der Ferne zurück. Mehr geschah nicht. Der Zauber hatte nicht gewirkt, genau wie vorhin. Er war machtlos.

Was hatte dieser verfluchte Lichtbringer mit ihm angestellt? Er besaß nicht die Macht, ihm all seiner Kräfte zu berauben, das war unmöglich! Doch hier stand er nun in einem Wald voller zwitschernder Vögel und wurde vom gewöhnlichen Pöbel ignoriert.

„Haltet eure verfluchten Schnäbel!", rief er einem Rotkehlchen auf dem nächstgelegenen Zweig entgegen. „Mortus Infernale!"

Als einzige Reaktion darauf verschönerte der Vogel den Umhang des Hexenmeisters mit einem weißen Klecks auf Höhe seiner linken Schulter, bevor es beleidigt davonflog. Wütend ballte der Magier die Fäuste. Dieser Ort war ohne jede Magie. Aber so leicht gab er sich nicht geschlagen. Das würde ein Nachspiel haben!

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Hey Leute! Heute gibt es ein kleines Kapitel, diesmal aus der Sicht des Hexenmeisters. Ich hatte ziemlich viel Spaß, diese Szene zu schreiben und hab auch noch ein paar weitere Ideen, was diesem altehrwürdigem Übel noch so zustoßen kann ^^

Es wird ab sofort auch regelmäßige Updates in dieser Geschichte geben. Jeden Dienstag gibt es ein neues Kapitel!

Das Erbe des LichtbringersKde žijí příběhy. Začni objevovat