Kapitel 33 | Der Stau II

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Stöhnend bog Miles seinen Rücken durch, während er Stufe für Stufe die Treppe nach unten stieg, in dem Bemühen, seinen Beinen keine hastigen und ausladenden Bewegungen zuzumuten. Warum bekam er nur das Gefühl, dass er seinen Meister am ersten Trainingstag bei der Unterbrechung des Drachenzaubers gehörig verärgert hatte? Er musste ein jämmerliches Bild abgeben, denn andere Teenager, denen er über den Weg lief, starrten ihn aus weiten Augen an. Cora, die ihn in der Eingangshalle bereits ungeduldig erwartete, bildete dabei keine Ausnahme.

„Himmel, was ist denn mit dir passiert?", fragte sie und musterte ihn besorgt.

„Rowdys", antwortete Miles tonlos. „Heute Nachmittag auf dem Schulhof. Gleich fünf Stück, alle größer und stärker als ich. Mit Baseballschlägern! Und keinesfalls ein alter Knacker mit einer Gehhilfe aus Pandaknabberkram."

„Okaaay!", erwiderte sie langsam und musterte ihn prüfend. „Wenn du es mir nicht erzählen magst, auch gut. Viel wichtiger ist: was hat dein Meister gesagt?"

Miles blinzelte verwirrt. „Was soll er gesagt haben?"

Genervt verdrehte Cora die Augen. „Du hast es vergessen!"

Oh, shit ...

Cora verschränkte die Arme und legte berechnend die Stirn in Falten. Sein Gesichtsausdruck musste Bände sprechen.

„Nicht schlimm", fuhr sie fort, „mein Meister hat was über den Lichtbringer zu erzählen gehabt, also pass auf!"

Gemeinsam verließen sie die Hochschule, während Cora ihm berichtete, was sie zuvor in ihrem Privatunterricht erfahren hatte.

Es gab da eine Überlieferung. Allerdings handelte sie vom Lichtbringer selbst und nicht von irgendeinem Erben. Er soll ein großer Magier gewesen sein, der vor circa tausend Jahren gelebt hatte. Miles erfuhr, dass besagter Magier eine einzigartige und mächtige Gabe besessen hatte, die Macht über das Licht selbst und somit die Macht, die Schatten und die Dunkelheit zu vertreiben. Lichtbringers Gabe wurde in einer Zeit großer Not entdeckt, als ein ehrgeiziger Hexenmeister Magier jagte, um seine Macht bis ins Unermessliche zu steigern. Niemand, der dem Hexenmeister gegenübertrat, hatte die Begegnung überlebt.

„Laut den Geschichtsbüchern", fuhr Cora fort, „konnte nur Lichtbringers Gabe ihm Einhalt gebieten. Sie kämpften einen erbitterten Kampf, bei dem - wie sollte es auch anders sein? - das Gute schlussendlich triumphierte. So das Übliche eben. Der Hexenmeister wurde vernichtet und seine Armee schwand mit ihm und verstreute sich in die finsteren Winkel dieser Welt - ich werde also nie wieder einen Fuß in die Mädchentoilette an unserer Schule setzen. Alles in allem also eine gute Sache, nur dass die Nichtmagier nach der Geschichte mit dem bösen Hexenmeister jeden Magier verbrennen wollten. Vorgriff auf Geschichte der Magie, drittes Magierjahr."

Aufmerksam richtete sie ihren Blick auf ihn.

„Lass mich raten", erwiderte Miles langsam, dem ihre ironische Heiterkeit nicht entgangen war. „Der Hexenmeister hat hier ganz in der Nähe gelebt und die Ruine seiner einstigen Festung steht am Rande der Stadt in einem kleinen Wäldchen?"

Diesmal war Cora überrascht. „Ja. Woher weißt du das?"

„Blacky hat es mir erzählt." Miles dachte nach. „Heißt das ... wir haben einen uralten und unbesiegbaren Hexenmeister in der Stadt rumlaufen?"

„Vergiss nicht, dass man glaubt, er sei vernichtet", fügte Cora beunruhigt hinzu als sie gemeinsam die große Pforte des Haupteingangs durchschritten - oder in Miles Fall - durchhumpelten. „Entweder das, oder dieser Magier ist ein böser Nachkomme, der seinem Ahnherren nacheifert. Viel schlimmer finde ich, dass mein Meister nichts über diesen Erben gewusst hat, den der Typ gegenüber Herrn Jakob erwähnte. Wie sollen wir ihn denn jetzt finden? Mein Meister sagte, niemand hat je wieder die Gabe des Lichtbringers entwickelt. Sie ist einzigartig, Miles!"

Das Erbe des LichtbringersΌπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα