Kapitel 7 | Morgenstund ist ungesund II

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Sofort machte Miles kehrt, stürzte hinaus auf den Flur und riss die Tür nebenan zum Zimmer seines Onkels auf.

„Wehe, wenn du hier auch nur einen Fleck hinterlässt", schrie er, während seine Hand zielsicher den Lichtschalter fand. „Ich schwöre dir, dann zieh ich dir eigenhändig das Fell ab und ..."

Miles verstummte. Der kleine Raum war wie gewohnt, bis auf die wenigen Möbel, vollkommen leer – leer, wie er es immer war. Erster Staub hatte sich auf die vielen Bücher im Regal gelegt und die Luft roch durch die Schwüle des Sommers bereits abgestanden.

Miles wandte sich ab und löschte das Licht. Schließlich befand sich sein Vertrauter offensichtlich nicht hier. Vielleicht war er ja tatsächlich zum Jagen verschwunden und hatte sich einen Scherz erlaubt. Vorsichtshalber spähte Miles noch ein weiteres Mal in sein Zimmer, um sich zu vergewissern, dass sein pelziger Begleiter nicht dort und die Tür verschlossen war.

Erleichtert, dass er nachher nicht gezwungen war, seiner Mutter zu erklären, warum er freiwillig seinen Bettbezug gewaschen hatte, stieg er die Treppe hinab. Auf der Türschwelle zur Küche hielt er inne. Mitten auf dem Tisch saß der Fuchs mit der letzten Scheibe Käse in der Pfote und kaute mit sichtlichem Genuss.

„Ah, da bist du ja wieder", sagte er und würgte den Bissen hinunter. „Jetzt da du mit der morgendlichen Ertüchtigung fertig und wach bist, wird auch deine schlechte Laune vergangen sein, also dachte ich, da du mir nun auf jeden Fall etwas abgeben wirst, kann ich es mir einfach selber nehmen. Ich habe dir auch was übergelassen, also bedien dich."

Großzügig ließ er seine Pfote über den Rest von Miles' Frühstück schweifen.

„Du hast den gesamten Käse aufgefressen!", rief der Junge wütend.

„Ja und er war köstlich. Jetzt komm runter und iss etwas, während ich dir deine Fragen beantworte."

„Ich will aber nicht runterkommen! Das war ein ganz mieses Täuschungsmanöver und überhaupt kannst du nicht einfach ..."

„Miles", sagte der Fuchs und setzte sich auf seine Hinterpfoten. „Ich weiß, du bist sauer und empfindest alles, was gerade geschieht als ungerecht, aber ich kann daran weder etwas ändern, noch kann ich etwas dafür. Ich bin hier, um dich nach bestem Wissen zu unterstützen, also beruhige dich endlich und iss dein Brot auf. Du machst dir nur selber Stress."

Einen Moment spielte Miles noch mit dem Gedanken, die Schublade zu seiner Rechten nach dem Bratspieß zu durchforsten, sah dann aber ein, dass der Fuchs auch diese Auseinandersetzung gewinnen würde. Schließlich lief er schon sein gesamtes Leben lang mit natürlichen Waffen in Form von Zähnen und Krallen herum und tötete, während Miles den Fleischspieß alle Jubeljahre höchstens zum Grillen benutzte.

Seufzend stellte er seinen Stuhl wieder auf, setzte sich und griff nach dem Eistee. Er hat ja recht, dachte Miles mit einem seltenen Anflug von Mitgefühl. Die Suspendierung habe ich mir selber eingebrockt. Er ist hier, um mir seine Hilfe anzubieten und alles, was ich für ihn übrig habe, sind Flüche und Beleidigungen.

„Na also, geht doch", lächelte der Fuchs und wedelte munter mit dem Schweif. „Vielleicht kannst du mir eben noch ein wenig Wasser geben. Aus der Leitung genügt schon, denn das Zeug in deinem Glas schmeckt ja abartig."

Miles verschluckte sich beinahe an seinem Getränk. Jegliches Mitgefühl mit dem Fuchs war soeben ausradiert worden wie vermutlich alle Noten über 4 aus seinem diesjährigen Zeugnis.

„Sag bloß, du hast hieraus getrunken!?", rief er aufgebracht und hielt ihm das Glas vor die Schnauze. „Das ist ja widerlich! Du hast bestimmt Würmer und so'n Scheiß."

Das Erbe des LichtbringersNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ