Kapitel 35 | Nur ein Spaß II

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Wie spät ist es?", fragte er Miles zurück, um seinen Kumpel weiter abzulenken.

Däx zog sein Handy hervor.

„Zwanzig Minuten nach Zehn. Damit liegst du mit deinem Tipp dichter dran als ich und gewinnst die Wette. Hast du gewusst, wann er umkippt?"

„Woher denn? Ich bin eben gut."

„Klar, das restliche Bier gehört dir. Wollen wir noch wetten, wann er wieder zu sich kommt? Alles oder nichts, eh?"

Miles zuckte mit den Schultern. „Nee, lieber nicht. Es ist kein besoffener Felix mehr da, der uns während des Wartens unterhält."

„Hast auch wieder recht", stimmte Däx zu und erhob sich. „Und? War doch lustig, eh?"

„Meilsch ischt ein mäschtiger Magier", ahmte Miles den betrunkenen Jungen gekonnt nach, woraufhin Däx erneut zu kichern anfing.

„Ja, der war echt gut. Schade, dass die Show jetzt vorbei ist. Na dann schnapp dir dein Bier und lass uns das Weite suchen."

Miles sah überrascht zu seinem Kumpel hinüber. „Du willst ihn einfach so hier lassen?"

„Klar", antwortete Däx etwas verwirrt über Miles' Tonfall. „Wieso auch nicht? Willst du den etwa bei seinem Waisenhaus abliefern oder ihn mit nach Hause nehmen, eh?"

„Natürlich nicht!"

„Siehste."

Miles sah noch einmal zu Felix, der langgestreckt auf dem Rücken lag und selig schlummerte. Morgen würde er sich wünschen, nie geboren zu sein, das wusste Miles nur zu gut ... Geschah ihm recht! Schließlich war es seine Schuld, dass dieser Niclas ihn beinahe erstickt hätte!

„Na schön", brummte Miles, schnappte sich die letzten verbleibenden Flaschen Bier und folgte seinem Kumpel nach draußen durch das offene Kellerfenster, welches ihnen bereits als Einstieg gedient hatte.

Ein Rest von Sorge blieb in Miles haften, wurde aber immer schwächer, je weiter sich die beiden Freunde von dem Lagerhaus entfernten und je mehr sie über die vergangenen Stunden herumblödelten.

Sie waren schon fast vor Däx' Wohnungstür angekommen, als Miles plötzlich etwas auffiel.

„Verdammt", fluchte er und klopfte seine Hosentaschen ab.

„Was?", fragte Däx verwirrt und drehte sich zu seinem Kumpel um, der mitten auf der nächtlichen Straße stehen geblieben war.

„Ich hab mein Smartphone verloren. Vermutlich ist es mir beim Einstieg in das Lagerhaus aus der Tasche gefallen."

„Fuck", stimmte Däx zu und kratzte sich an der mit Rastas bedeckten Kopfhaut. Soll ich eben wieder mit zurückkommen?"

„Nein, lass mal", winkte Miles ab. „Ich geh kurz nach Hause und hol mir mein Skateboard und eine Taschenlampe, das geht schneller."

„Okay", nickte Däx. „Du findest das schon."

„Klar, Mann", bestätigte Miles und sie stießen die Fäuste aneinander. Dann rannte er die dunkle Straße hinunter zu seinem Elternhaus. Zum Glück wohnten er und Däx nicht weit voneinander entfernt, weswegen es auch nicht lange dauerte, bis er sein Ziel erreicht und Skateboard und Taschenlampe eingesteckt hatte.

Und so machte er sich eilig auf den Weg zurück, bevor jemand anderes sein Smartphone finden und in Besitz nehmen würde. Das wäre zu ärgerlich. Schließlich war dort Katys Handynummer abgespeichert!

Grummelnd durchfuhr er die nächtlichen Straßen, bis er in den Außenbezirken angekommen war. Die Straße wich einem Platz aus Schotter, auf dem die leere Karosserie eines Autos fleißig dabei war, Rost zu produzieren. Daran konnte er sich gut erinnern. Es musste hier ganz in der Nähe sein. Vor sich sah er die grauen Klötze leerstehender Fabriken und Verwaltungsgebäude. Bei nicht wenigen waren die Fenster eingeschlagen oder mit Brettern zugenagelt worden.

Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now