Kapitel 31 | Dicke Luft I

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Der Feuerball

Ganz spontan: Welches ist der erste Zauber, der Euch in den Kopf kommt, wenn von Magie die Rede ist? Ja brav, gut gemacht, der Feuerball natürlich. (Was soll das heißen „ich hab nur daran gedacht, weil das dort in der Überschrift stand!?" Was für eine billige Ausrede ist das denn?) Okay, dann stelle ich mal die berechtigte Frage: Warum ist das so?

Also, Feuer ist natürlich etwas, von dem wir wissen, dass es uns wehtun kann, wenn wir ihm zu nahe kommen. Das können Messer auch? Ja, aber die kann man an einem Ende wenigstens anfassen, bei Feuer ist das nicht möglich, Mister Offensichtlich hat gesprochen. Zudem ist Feuer eines der vier Elemente und die Vorstellung, einen Ball dieses Elements zu formen und einem Gegner den Hintern anzuzündeln ist doch eine ganz nette Fantasie. Das Einzige, was nicht so toll ist, ist der anschließende Geruch, aber darüber kann man schweigen.

Nein, wenn wir uns auf die Elemente besinnen, macht nur Feuer Sinn, oder etwa nicht? Wollt Ihr Eurem Widersacher etwa einen Wasserball entgegenschleudern? Nein ehrlich, der lacht Euch aus. Das könnt Ihr nur machen, wenn ihr Kannibale seid und Euer Gegner ein ungewaschener Barbar. Erde? Ja, so ein Felsbrocken ist ganz nett, allerdings ein wenig rustikal und nicht episch genug, Ihr wollt ja eine Show für die Nichtmagier hinlegen. Bleibt Luft. „Uh seht her, ich halte hier eine Kugel Luft in meinen Händen. Ihr könnt sie nur nicht sehen, aber sie ist da. Nein wirklich. Hey, kommt nicht näher! Was habt ihr mit der Axt vor? Seht ihr nicht, dass ich euch mit meinem Luftball überlegen bin? Na gut, ihr habt es so gewollt, nehmt dies! *Pause* Oh Sch..."

Ihr seht, nur Feuer ist wirklich stylisch.

- Etwas zu sehr von sich überzeugter Funkenschmied; Quelle: §9 der ungeschriebenen Gesetze



„Ist irgendetwas mit euch? Ihr seid so still."

Etwas beunruhigt sah Flip erst zu Cora und anschließend zu Miles, die beide ausweichend den Blick abwandten. Stumm biss Miles von seiner Pizza ab und betrachtete den Belag, als sei es das Interessanteste, das er je in seinem Leben gesehen hatte.

„Leute, ihr macht mich nervös", fuhr Flip fort.

Er blieb ignoriert.

Momentan hockten sie am Hauptbahnhof auf drei Hochstühlen, die zu einem Pizzastand gehörten. Eigentlich hatte Miles den Samstag nutzen wollen, um sich irgendwie auf andere Gedanken zu bringen, doch was er auch versuchte, er musste immer wieder an den schwarzen Magier denken, der den Zeugen Jehovas vor seinen Augen bei lebendigen Leibe zu Staub zerfallen ließ. Cora schien es ebenso zu gehen, denn ihre Stimme hatte zögerlich und seltsam entfernt geklungen, als sie ihn angerufen und um ein gemeinsames Treffen in der Stadt gebeten hatte.

Flip, der von allem noch keine Ahnung hatte, schloss kurzzeitig die Augen, bevor er erschrocken zusammenzuckte.

„L-leute", sagte er mit zittriger Stimme, „ihr fühlt euch, als wäre euer Haus mitsamt eurer Familie darin abgebrannt! Ihr macht mir Angst, was ist geschehen?"

Gehetzt wanderte sein Blick zwischen den beiden Freunden hin und her. Miles stellte das lustlose Kauen ein und schluckte das Stück Pizza in seinem Mund hinunter.

„Sicher, dass du da mit reingezogen werden willst, Flip?" Als der Empath nichts erwiderte, wandte sich Miles an Cora. „Warum hast du ihn angerufen? Er hat doch gesagt, er will nicht."

„Ich wollte einfach meine Freunde um mich herum haben, okay?", antwortete sie gereizt.

Miles murmelte nur etwas Unverständliches, worauf Cora den Kopf drehte und ihm einen wütenden Blick zuwarf. Doch bevor sie etwas erwidern konnte, fiel Flip ihr ins Wort.

Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now