Kapitel 29 | Der Zeugenzeuge I

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Hexenmeister

Als Hexenmeister bezeichnet man einen Magier, der sich auf Bannflüche spezialisiert hat. Im dem Sinne ist also nicht von einer Begabung die Rede, sondern eher von einer Spezialisierung in der Kunst der Angewandten Magie.

Da es einige grausame Bannflüche gibt, steht die Kunst des Hexenmeisters in keinem besonders guten Licht, was natürlich nur ein böses Vorurteil ist.

- aus Leubrunners Lehrbuch der Magie; Kapitel 1.2 Begabte Magier




Hingegen seiner Erwartung hatte Cora es nach mehrmaligen Anläufen geschafft, das Streichholz zu entzünden. Miles war überrascht, wie viel Kraft und Konzentration es das junge Mädchen gekostet hatte, denn anschließend hatte sie sich erschöpft setzen müssen. Andere Schüler, die nie zuvor Magie verbrannt hatten, weil sie unbegabt waren, erzielten noch weniger Erfolge und brachten das Holz lediglich zum Kokeln – und das waren die geschicktesten unter ihnen!

Während er auf seinem Skateboard den Weg nach Hause antrat, fragte er sich wie es ihm ergehen würde, sobald er erste Zauberversuche in einem fremden Magiebereich ausprobieren durfte. Ob er dann auch scheiterte? Vermutlich ...

Er war bereits durch den dichtesten Verkehr der Innenstadt hindurch, als er die Vibration seines Smartphones in der Hosentasche spürte. Mit einem Griff zog er sein liebstes Spielzeug hervor und nahm den Anruf an.

„Ja?", fragte er, weil er nicht drauf geachtet hatte, wer genau ihn anrief.

„Hey, Miles", hörte er Coras aufgeregte Stimme am anderen Ende. „Wo bist gerade?"

Er runzelte die Stirn und brachte sein Skateboard zum Stehen. „Ist was passiert?", fragte er besorgt über ihren Tonfall.

„Ja", kam die unruhige Antwort. „Als ich vorhin an meiner Haltestelle ausgestiegen bin, hat mich ein merkwürdiger Kerle angesprochen", erzählte sie, wobei ihr Tempo immer schneller wurde. „Er fragte mich, ob ich wisse, wo sich die Pilgerstraße befindet. Er suche dort einen gewissen Herrn Jakob."

„Hast du sie nach Spanien geschickt?", fragte er trocken.

„Miles, das ist kein Spaß!", rief Cora am anderen Ende aufgebracht.

„Schon klar", entgegnete er. „Dem Typ muss der Weg in die Klapse gezeigt werden. Hat er dich irgendwie bedrängt? Ist er noch in deiner Nähe? Soll ich vorbeikommen und ihm in den Ar..."

„Du verstehst nicht", unterbrach Cora aufgeregt. „Die Pilgerstraße gibt es wirklich! Zufällig weiß ich, wo die liegt."

„Und?", fragte er nun ernsthaft verwirrt.

„Miles, der Typ war unglaublich groß und in seinem Schatten hatte ich das Gefühl, mein Herz würde zu Eis gefrieren. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, es war unter einer Kapuze verborgen. Ein solcher Typ würde die Blicke der Passanten auf sich ziehen, aber merkwürdigerweise schienen ihn alle zu ignorieren. Auch ich hab ihn erst gesehen, als er direkt vor mir stand und mir die Frage stellte. Miles, das ist der Kerl, von dem du erzählt hast, ich bin mir sicher!"

Beinahe hätte er vor Schreck sein Smartphone fallen gelassen. „Wo bist du?", fragte er und versuchte die aufkeimende Unruhe zu unterdrücken, die nun in ihm empor wallte.

„Nur wenige Straßen vom Rathaus entfernt", erwiderte Cora. „Miles, ich hab ihn auf die andere Seite des Flusses geschickt, der braucht ein wenig, bis er merkt, dass ich ihm eine falsche Wegbeschreibung gegeben habe. Wir müssen sofort in die Pilgerstraße und diesen Herrn Jakob warnen!"

Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now