Kapitel 36 | Erwachen

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Doppel- und Einzigartige Begabungen

Zwei seltene Formen der Begabungen stellen die Doppel- sowie die Einzigartigen Begabungen dar.

Entwickelt ein Magier neben seiner Gabe eine weitere, so spricht man in der Miraculogie von einer Doppelbegabung. Doppelbegabungen sind auf besonders seltene Mutationen des M-Gens zurückzuführen. Meist werden Doppelbegabungen erst später bemerkt, da im Erwachungsstadium des Magiers standardmäßig nur geprüft wird, ob es sich um einen begabten oder unbegabten Magier handelt. Zum anderen mutiert das M-Gen während des gesamten Wachstumsprozesses eines Lebewesens – so kann eine Doppelbegabung noch festgestellt werden, wenn der betreffende schon seit mehreren Jahren erwacht ist und eine Begabung festgestellt wurde. Erst zwischen dem 24. und dem 27. Lebensjahr stellt das M-Gen beim Menschen seinen Mutationsprozess ein.

Von einer einzigartigen Begabung spricht man, wenn ein Magier eine Begabung entwickelt, die nicht unter den Standardbegabungen verzeichnet ist. Eine solche Gabe ist nicht wirklich einzigartig, dennoch wird sie so genannt, da sie meist nie zweimal zur gleichen Zeit unter der Magierbevölkerung zu finden ist. Manche einzigartigen Begabungen werden entdeckt und dann für hunderte von Jahren nie wieder gesehen. Beispiele hierfür sind zum Beispiel der Lichtbringer und der Formwandler.

Beide Fälle dieser Sonderbegabungen sind äußerst selten. Sind von allen Menschen mit dem M-Gen statistisch gesehen 58,6% begabt, so steht die Zahl der Doppelbegabungen nur bei knapp 1,8% und die der Einzigartig Begabten bei 0,4%.

- aus Leubrunners Lehrbuch der Magie; Abschnitt 1.2 Begabte Magier



Als Miles erwachte, wusste er nicht, wo er sich befand. Verschlafen öffnete er die Augen und sah gleißende Sonnenstrahlen durch die beiden von hellorangen Vorhängen umrahmten Fenster zu seiner Linken auf das Bett fallen, in dem er lag. Vögel zwitscherten und er konnte die braun werdenden Blätter von Laubbäumen vor dem Haus erkennen. Eine unwirkliche Ruhe umgab ihn.

Langsam zog er die Decke zurück und setzte sich auf. Anscheinend befand er sich in einer Art Gästezimmer, denn bis auf das Bett standen nur ein schmales Bücherregal und eine Kommode in dem kleinen Raum. Durch die offenstehende Tür zu seiner Rechten hatte er begrenzten Blick auf einen Flur, von dem einige Geräusche zu ihm durchdrangen, die auf eine in der Küche arbeitende Person hindeuteten. Zudem hatte ihn jemand von seiner Jacke und Hose befreit, die nun ordentlich gefaltet auf einem Stuhl neben dem Bett auf ihn warteten. Sein bedrucktes T-Shirt sowie die Shorts hatte man ihm gelassen.

Erschrocken stellte er fest, dass der Stoff an vielen Stellen zerissen war. Die Erinnerung an letzte Nacht drängte sich in sein Bewusstsein und er musste einen Schmerzensschrei unterdrücken, als ihn zahllose Schattenrisse zeitgleich zu martern begannen. Seine Muskeln krampften und seine Atmung beschleunigte sich.

Beruhige dich, Miles, ermahnte er sich. Das sind Schattenrisse, nur deine Aufregung lässt sie wehtun. Aber die Schmerzen der unzähligen Schnitte an seinem Körper sowie Einstiche im Bauchbereich waren so stark, dass sie umgehend zu erneuten Panikattacken seinerseits führten, die die Qualen erst richtig anfachten. Es war ein Teufelskreis.

Irgendjemand musste seine stummen Schreie bemerkt haben, denn eilige Schritte auf dem Flur kündigten eine Person an. Er hob den Kopf und konnte Frau Wasabi erkennen, die an sein Bett gerannt kam.

„Ganz ruhig, Miles. Du bist in Sicherheit. Tief einatmen, das legt sich gleich wieder."

Er versuchte ihrem Rat zu folgen, aber etwas war mit seiner Lunge nicht in Ordnung. Sein Brustkorb tat weh und er bekam das Gefühl, ersticken zu müssen.

Das Erbe des LichtbringersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt