Kapitel 8 | Das Welpenformular I

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„Wir sorgen für Ordnung!"

- Das zentrale Verwaltungsamt der magischen Gemeinschaft



Blacky setzte sich auf seine Hinterpfoten und wartete geduldig darauf, dass Miles seine Füße wieder in Bewegung setzte. Sollte der Junge sich ruhig einmal umschauen, auf die paar Minuten kam es nicht an. Am Anfang staunten sie alle.

Und Miles staunte. Allein die Empfangshalle war so groß, dass der gesamte Stadtpark am Fluss seiner Heimatstadt zwei Mal hineingepasst hätte. Prunkvolle Statuen berühmter Zauberer und Fabelwesen säumten die Wände und auf dem polierten Marmorboden zogen geschäftige Menschen in langen Mänteln vorbei - manche sogar schwebend!

... jedenfalls in Miles' Vorstellung, welche gerade von dem, was er sah, ruiniert wurde.

Ja, am Anfang staunten sie alle, weil die Realität wie immer ganz anders aussah. Miles wurde in diese erst zurückgeworfen, als er von einem Mann versehentlich zur Seite gestoßen wurde.

„Bocsánat", entschuldigte sich dieser und verschwand in dem dichten Gedrängel. Das war auch alles, was Miles sehen konnte: Gedrängel.

„Das soll das Amt sein?", fragte der Teenager mit Blick auf die Masse an Menschen, die sich in der schmalen Eingangshalle tummelte. Er selbst stand in einem noch engeren Flur, an dessen beiden gegenüberliegenden Wänden jeweils fünf Türen eingelassen waren.

„Moment mal ...", murmelte Miles, als ihm auffiel, dass diese Türen sehr dicht beieinander standen. „Wie kann ..." Bevor er ausreden konnte, öffnete sich die Tür, welche er selbst eben zum Eintreten benutzt hatte, und eine asiatisch anmutende Oma im zeremoniellen Kimono schlängelte sich gebuckelt an ihm vorbei.

Miles blinzelte einmal, sah auf die Tür, dann der Asiatin hinterher, dann wieder zur Tür und schließlich zu seinem Vertrauten, der ihm inzwischen auf die Schulter gesprungen war, um nicht von unachtsamen Magiern getreten zu werden.

„War die Frau da nicht ein wenig zu alt, um dort zu arbeiten?"

„Sie kam durch einen anderen Eingang", erläuterte Blacky.

„Verarsch mich nicht, ich bin durch dieselbe Tür gekommen und ..."

Miles verstummte, als sich die Tür ein weiteres Mal öffnete und einen braungebrannten Rentner in Urlaubsklamotten ausspuckte.

„Es heißt nicht umsonst, das zentrale Verwaltungsgebäude der magischen Gesellschaft", begann Blacky eine Erklärung. „Es liegt räumlich in der Zwischenebene und es gibt Eingänge auf der ganzen Welt. Magier aller Nationen kommen hier zusammen. Ein eigenes Amt für dein kleines Städtchen mit seinen knapp zweihundert Zauberern würde sich wohl kaum lohnen."

„Magier der ganzen Welt? Und dann ist das hier so eng und klein? Ich hatte irgendwie ... etwas anderes erwartet."

Die Enttäuschung in der Stimme des Jungen musste für seinen Vertrauten unüberhörbar gewesen sein, denn dieser schnaufte nur abfällig.

„Wie oft habe ich dir jetzt schon gesagt, du sollst dich von deiner medienpropagierten Fantasyvorstellung lösen, hm? Das hier ist ein Amt und nur weil es magisch ist, heißt das nicht, dass wir hier einen prunkvollen Palast errichten. Wir bauen Ämter, wie alle anderen auch, das hat sich rentiert. Reih dich lieber in die Schlange ein, bevor es noch voller wird. Die Rechte ganz außen, da gibt's die richtigen Formulare."

Miles tat wie ihm geheißen und kam hinter zwei Männern zum Stehen, die sich angeregt in einer fremden Sprache unterhielten. Vermutlich russisch, so genau konnte Miles das nicht einschätzen. Etwas verunsichert wartete er in der Schlange und versuchte die Zeit zu nutzen, um sich eingehend umzusehen, was aufgrund der Dichte der Menschenmasse nicht ganz einfach war. Letztlich erkannte er nur die hoch an den Wänden angebrachten Hinweisschilder, die Auskunft über die Lage der Toiletten, des Ausgangs und der verschiedenen Schalter gaben.

Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now