Kapitel 22 | Socialising II

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Tatsächlich hatten sie Glück. Es schien, als wäre jedes Einsatzfahrzeug der Polizei zum Ort des Geschehens unterwegs. Jedenfalls kam immer wieder ein Nachzügler an ihnen vorbei, welcher dem Trio mit lautstarken Sirenen den Weg wies. Ab einem gewissen Punkt gaben auch die gestauten Autos im Straßenverkehr Hinweis auf den Ort des Aufruhrs. Sie fanden die Quelle des Staus: Die Polizei war gerade dabei, eine Straße dicht zu machen.

„Was da wohl los ist?", murmelte Cora.

„Die werden es uns kaum verraten", meinte Flip keuchend und deutete auf die Schar von Gesetzeshütern, die gerade dabei waren, die Straße abzuriegeln.

„Dann finden wir es doch selbst heraus", schlug Miles vor und nickte in Richtung der nächsten Seitengasse. „Wir suchen uns einen anderen Weg."

„Geht klar", sagte Cora sofort.

„M-momet, ist das denn okay?", wandte Flip ein.

Miles zuckte mit den Schultern. „Wir gehen durch eine Seitengasse, das ist nicht verboten. Welche Straße machen sie da überhaupt dicht?"

Cora schirmte ihre Hand vor der sinkenden Sonne ab und sah sich suchend nach einem Straßenschild um.

„Die Knuffel-Gasse", antwortete sie schließlich.

Miles legte misstrauisch die Stirn in Falten. „Verarschst du mich oder heißt die wirklich so?"

„Nein", wandte Flip ein. „Die Knuffel-Gasse, benannt nach Bernhard Knuffel, einem anerkannten Magier, der auf dem Gebiet der Biomagie forschte. Für seine Leistungen – den Nachweis von magischen Pflanzen – wurde er 1833 in den Rang eines Erzmagiers erhoben und ..." Er stockte, als er die Blicke seiner beiden Freunde bemerkte. „Was?", fragte er nervös.

„Du bist strange, Flip. Egal, folgt mir."

Cora ließ sich das nicht zweimal sagen. Flip jedoch sah aus, als würde er lieber umdrehen, aber als Miles ihm zuwinkte, folgte er widerwillig. Die Seitengasse an sich war für Autos nicht groß genug, allerdings stellte sich heraus, dass die Polizei sich größte Mühe gab, den Weg zur Knuffel-Gasse zu blockieren.

„Sieht aus, als wäre hier alles dicht", sagte Cora hinter ihm, während Miles selbst in die nächste Gasse spähte, in der rot-weiß gestreiftes Absperrband neugierige Passanten abhalten sollte.

„Naja", sagte Flip erleichtert. „Dann drehen wir am besten um."

„Oder wir verschaffen uns einen Überblick", schlug Miles vor und deutete in einen gedrungenen Hinterhof, der den Bewohnern zum Abstellen ihrer Mülltonnen diente.

„Spinnst du!?", widersprach Flip nun heftig. „Du willst doch nicht ernsthaft die Feuerleiter ...?"

„Klar", sagte Miles und rannte los. In seinen Adern spürte er bereits das vertraute Kribbeln des Adrenalins. Diese süße Freude, die er empfand, wenn er Dinge tat, die andere nicht wollten. Zudem trieb ihn eine ungeheure Neugierde an. Er hatte schon immer mal einen Tatort sehen wollen. Vielleicht konnte er einen Blick auf die Leiche erhaschen, denn das hier jemand umgebracht worden war, stand für ihn außer Frage.

„Aber das ist doch bestimmt verboten!", jammerte Flip weiter, während Miles die ersten Stufen der Feuerleiter erklomm; Cora folgte ihm dicht auf den Fersen. Miles drehte sich um.

„Okay, Flip, dann warte eben hier und gib uns Rückendeckung, wir erzählen dir dann gleich alles."

Miles hatte kaum die nächste Etage erreicht, als er Flips aufgeregten Ruf hinter sich hörte: „H-hey, wartet auf mich!"

Na bitte, freute er sich innerlich. Der Junge macht mit!

Nach einigen Stufen kamen sie ans Ende der Feuerleiter und Miles spähte vorsichtig über den Rand, um sich davon zu überzeugen, dass im Moment niemand von den Bewohnern ihr Dach als Beobachtungsposten verwendete. Dann gab er seinen beiden Freunden mit einem Wink zu verstehen, dass die Luft rein war und so fanden sie sich Sekunden später auf dem Flachdach des mehrstöckigen Familienhauses wieder. Neugierig begaben sie sich auf die andere Seite und sahen auf die mit Polizeiwagen und Blockaden abgesperrte Straße hinab.

Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now