Kapitel 33 | Der Stau I

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Der Stau

Hierbei handelt es sich um das sogenannte „wichtigste magische Grundtalent". Ironischerweise befasst sich der Stau damit, Magie unbrauchbar zu machen.

- aus Leubrunners Lehrbuch der Magie; Kapitel 2.3 Techniken



Der Rest des Wochenendes verlief relativ ereignislos für Miles. Ereignislos, weil er von seltsamen, magischen Treffen verschont blieb und relativ, weil am Sonntag ganz überraschend Cora an seiner Haustür klingelte.

„Hi", grüßte sie, als er die Tür aufzog, „hast du 'nen Moment?"

„Klar", erwiderte Miles verwundert. „Ähm, woher hast du meine Adresse?"

„Äh ..." Cora zeigte ein verlegenes Grinsen und schob unschuldig die Hände hinter den Rücken. „So wie ich auch Flips Adresse gefunden habe: Ich habe meinen Bruder erpresst. Da fällt mir ein ..." Cora öffnete ihre etwas zerfranste und mit Edding bekritzelte Umhängetasche und holte ein schmales Heft hervor, welches sie Miles entgegenreichte. „Der betreffende Yuri Manga geht gleich an dich weiter. Als Entschuldigung sozusagen. Ich hab mich gestern voll daneben benommen, das tut mir leid. Ich weiß nur nicht ... wie ich mit der Situation umgehen soll."

„Ebenso", erwiderte er und nahm den anstößigen Manga entgegen. „Ich dachte, dein Bruder ist ein Nerd. Hat der nicht alles auf dem Rechner?"

„Naja, ehrlich gesagt hab ich dieses Heft einem Arsch aus meiner Klasse abgeluchst und meinem Bruder anschließend damit gedroht, unserer Mutter zu sagen, dass ich es in seinem Zimmer gefunden habe."

Miles hob die Augenbrauen. „Ey, bin ich froh, dass du nicht meine Schwester bist."

Cora grinste - diesmal etwas selbstsicherer.

„Magst du reinkommen?" Miles deutete mit dem Daumen über seine Schulter, aber Cora lehnte kopfschüttelnd ab.

„Eigentlich gerne ... aber es wird bald dunkel und solange dieser Typ hier in der Stadt rumläuft, wandere ich auf keinen Fall nachts durch die Straßen."

„Kann ich verstehen", erwiderte Miles. „Also bis morgen."

„Ja, bis morgen", verabschiedete sich auch Cora und Miles schloss die Tür hinter ihr. Während er die Treppe nach oben stieg, begutachtete er neugierig das Heft. Immerhin wusste er jetzt, was er mit dem angebrochenen Nachmittag anfangen würde.


*******


Wie Miles erfuhr, zeigte sich Flip genauso, wie er es erwartet hatte. Der Junge war nervös und versuchte ihn dazu zu drängen, die Erlebnisse schnellstmöglich einem gewissen Erzmagier Rainer Quellbach anzuvertrauen, gab seine Versuche aber eingeschüchtert auf, als er Miles' durchdringenden Blick auf sich spürte.

Die Treffen der drei Freunde nachmittags in der Cafeteria der Hochschule verliefen deshalb schweigsamer als sonst. Auch Katy suchte in den nächsten Tagen keinen Kontakt zu ihm, vielleicht, weil er sich vor und nach dem Kurs immer in Gesellschaft von Cora befand, genauso, wie Miles sich ihr nicht wegen ihrer Freundin Tess näherte.

Im Unterricht - im normalen wie auch im magischen - blieb er wie immer gedanklich abwesend, allerdings mehr, weil seine Gedanken ständig zum letzten Freitag zurückkehrten. Ob man Herrn Jakobs Asche inzwischen gefunden hatte? Cora hatte die Zeitungen wachsam im Auge behalten und ihm geschworen, dass der ermordete Zeuge mit keinem Wort erwähnt wurde. Vielleicht hatten sie ihn bisher nicht gefunden, oder es waren Magier auf den Fall aufmerksam geworden und vertuschten diesen eifrig. So oder so - das mulmige Gefühl, in Miles' Magengegend blieb bestehen, auch, als er sich am Mittwoch wieder in Erzmagier Hes Raum wiederfand.

Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now