Kapitel 48 | Das Erbe des Lichtbringers III

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„Felix", erkannte Miles den Jungen, der urplötzlich zwischen ihm und dem Hexenmeister aufgetaucht war. „Was soll das? Was machst du hier?"

Der Waisenjunge verstärkte entschlossen den Griff um das Objekt in seiner Hand – einen durchsichtigen Plastikregenschirm. „Du hast mir das Leben gerettet. Ich werde nicht zulassen, dass er dich tötet!"

Wäre Miles nicht kurz davor gewesen, dass Bewusstsein zu verlieren, er hätte in das schallende Gelächter des Hexenmeisters mit eingestimmt.

„Und wie bitte willst du das verhindern?", fragte der Meister der Schatten. „Du zögerst sein Leiden nur noch hinaus, er ist bereits tot. Ich wollte ihm gerade den Gnadenstoß gewähren. Und daran wirst du mich nicht hindern!"

Noch während er sprach hatte er zu einem erneuten Hieb mit dem Schwert angesetzt. Felix schien damit gerechnet zu haben, denn er hielt den aufgespannten Regenschirm schütztend vor sich und seinen großen Bruder. Miles sah ihr Ende schon kommen, doch hingegen seiner Erwartungen fing der Regenschirm den Schlag unbeschadet ab, wodurch der Hexenmeister abermals zurücktaumelte.

Er bildete sich sogar ein wie eine Stimme Ja, gib mir mehr! zu rufen schien.

Felix grinste dem verwirrten Hexenmeister zu. „Das ist ein masochistischer Regenschirm des perfekten Schutzes +5", sagte er lachend. „Theo hat ihn mir geschenkt. Er ist das einzige Geschenk, das ich je bekommen habe. Ich weiß zwar nicht, was masochistisch bedeutet, aber es muss etwas Gutes sein, wenn es dein Schwert abhält meinen Bruder zu verletzen."

Ja, bitte schlag zu, genau so, genau dorthin!, bekräftigte der Regenschirm sehnsüchtig.

Der Hexenmeister schnaubte und abermals kroch eine Wolke aus schwarzem Rauch unter der Kutte hervor. „Willst du so dringend sterben, Bursche?" Abfällig warf er das Schwert von sich, wodurch es nutzlos am Boden landete.

Miles hustete und das Gras vor ihm färbte sich rot. Er wusste nicht, wie dieser Regenabfänger ihn und Felix hatte retten können, aber er war sich sicher, dass dieser Trick nicht noch einmal funktionieren würde. Zudem wollte er gar nicht mehr gerettet werden. Sein Körper lag in Trümmern, das wusste er zu gut. „Felix ...", nahm er seine letzte Kraft zusammen. „Bitte ... lauf weg!"

Felix schüttelte den Kopf. „Nein, das werde ich nicht tun!"

Langsam ging er neben ihm in die Hocke und legte ihm eine Hand auf die Seite. Irgendetwas geschah. Da war es wieder. Diese strahlende Funkeln, dieser gar unerschöpfliche Hort der Kraft! Miles Schmerzen wurden schwächer und sein Blick schärfte sich. Verwirrt blickte er sich zu Felix um und sah, wie ein letzter, goldener Funken in seiner Hand erlosch.

„Du ... du bist es!"

Felix stand auf und half Miles auf die Beine. „Ja", sagte er. „Ich bin der Erbe des Lichtbringers. Mir kam das mit den Illusionen gleich merkwürdig vor, weil ich nur Objekte verstecken, aber nicht projizieren konnte. Das liegt daran, dass ich keine Illusionen erschuf, sondern das Licht um Objekte herum lenkte, wodurch diese zu verschwinden schienen."

„Du!", schrie der Schatten und stürzte sich mit langen Klauen auf den Jungen. Er kam nicht weit, da Felix ein altes Handy aus seiner Tasche holte und es schützend vor sich hielt. Kreischend wich der Hexenmeister vor dem in ungeahnter Intensität aufleuchtenden Bildschirm zurück.

Felix kicherte. „Pass auf, davon bekommst du viereckige Augen."

Mühselig richtete sich der Schatten wieder auf. Dampf stieg von seiner Kutte empor. „Es brennt, es brennt zu sehr. Sei es drum. Ein magisches Duell zwischen uns beiden wirst du nicht gewinnen. Selbst dein Vorgänger konnte es nicht und der war kein unerfahrenes Balg!"

Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now