Kapitel 16 | Winfried van Harzel I

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Nicht untypisch für Magier sind ihre speziellen Begabungen. Wie schon im vorigen Kapitel erwähnt, wird die Befähigung eines Menschen, Magie zu verbrennen, mit dem M-Gen weitervererbt. Nicht selten geschieht es, dass ein mit dem M-Gen ausgestatteter Magier eine Gabe entwickelt. Man nennt solche Magier auch „begabte Magier".

- aus Leubrunners Lehrbuch der Magie; Abschnitt 1.2 Begabte Magier





„So", wendete sich Frau Wasabi mit erhöhter Lautstärke den versammelten Jugendlichen zu. „Nun, da auch die letzten beiden den Raum gefunden haben, können wir unser Sozialtraining beginnen." Vereinzelte Lacher unter den Schülern. „Gut, mein Name ist Yolanda Wasabi. Ich bin ausgebildete Hüterin und als solche für die Organisation zur Findung und Ausbildung von Jungmagiern in dieser Einrichtung tätig. Als solche bin ich für euch eine Ansprechpartnerin rund um eure magische Ausbildung und stehe für Fragen jederzeit zur Verfügung."

Diese Worte bestätigten Miles' Vermutung. Von wegen langweiliges Sozialtraining, dieser Kurs würde tausendmal besser werden! Trotzdem wurde Miles Vorfreude dadurch gedämpft seine Geschichtslehrerin hier zu sehen. Er war immer noch sauer auf sie.

„Das neben mir ist Winfried van Harzel." Sie deutete auf einen kleinen untersetzen Mann im reiferem Alter, der Miles' Aufmerksamkeit bisher entgangen war. Er trug einen karierten Pollunder über einem Hemd und schmunzelte fröhlich in die Runde. „Er wird eure erste Unterrichtsstunde anleiten, sobald wir mit den organisatorischen Dingen durch sind. Tut mir leid, dass ich die undankbare Aufgabe habe, euch damit zu nerven, aber da müssen wir einmal durch. Ihr erinnert euch an das zentrale Verwaltungsamt der magischen Gesellschaft?"

Kollektives Stöhnen bestätigte ihr Frage.

Frau Wasabi zog zischend die Luft zwischen den Zähnen ein. „Gut, die machen mir nämlich die Hölle heiß, wenn das hier nicht so abläuft, wie die das wollen, also hört jetzt bitte einen Moment aufmerksam zu. Dieser Nachmittagskurs wird im Prinzip genauso wie Schule ablaufen. Nur dass die Themen eben magischer Natur sind. Ich weiß, es ist hart, nach der Schule nochmal zwei Stunden an die Hochschule zu kommen, aber wir können eure normale Schulbildung nicht außen vor lassen, nur weil ihr jetzt Magier seid."

Laute Diskussionen brachen los, die Frau Wasabi herrisch im Keim erstickte.

„Moment, ich bin noch nicht fertig! Ihr seid jetzt Magier und als solche Teil einer verdeckten Gesellschaft. Deswegen müsst ihr so schnell wie möglich die geltenden Regeln sowie die Kontrolle eurer magischen Kräfte erlenen. Dazu dient dieser Nachmittagskurs. Im folgenden habt ihr die Wahl, mir auf diesem Formular", sie hob einen Stapel Papier in die Höhe, „zu bestätigen, dass ihr mit diesen Bedingungen einverstanden seid. Wer nicht unterschreibt, muss sich einem Intensivkurs in den Herbstferien verpflichten, oder die Extraktion beantragen."

Der letzte Satz brachte die Gruppe zum Schweigen.

„Tut mir leid, so sind die Regeln", sagte sie, während sie die Formulare verteilte. „Wir zwingen euch zu nichts, aber der Magierrat kann nicht riskieren, dass ihr ohne Ausbildung euer magisches Talent nutzen dürft. Das führt mich zu einer anderen Sache: Ihr wundert euch bestimmt schon, warum euer Kurs aus vollkommen unterschiedlichen Altersstufen zusammengewürfelt wurde."

Miles warf einen Blick nach hinten und stellte fest, dass Frau Wasabi nicht flunkerte. Die jüngsten unter ihnen schienen gerade einmal dreizehn zu sein, während es daneben zwei Typen gab, denen bereits der Bart im Gesicht spross.

„Nun, das liegt daran, dass jeder junge Magier die Magie zu seinem persönlichen Zeitpunkt entdeckt. Einige von euch haben sicherlich plötzlich ... merkwürdige Dinge in ihrer Umgebung angestellt, andere wiederrum sind Zeuge eines magischen Zwischenfalls geworden und wieder andere haben angefangen, Schatten zu sehen." Beim letzten Teilsatz fiel ihr Blick direkt auf Miles, woraufhin diesem ein unangenehmer Schauer über den Rücken lief. Manchen erging es ähnlich, denn niemand wagte, in die Stille hineinzusprechen, bis auf Frau Wasabi natürlich.

„Und da ihr diejenigen seid, die im letzten Jahr die Magie entdeckt hat, steht ihr mit eurem Wissen erst am Anfang und gehört demnach in denselben Kurs, so einfach ist das. Einige werden einen kleinen Vorsprung haben, weil sie schon länger auf ihre Kurse warten und von ihrem Hüter oder Vertrauten ausgebildet worden sind, wohingegen manche von euch erst letzte Woche in unser kleines Zauberreich gestolpert sind." Sie warf einen Blick in die hinteren Reihen. „Die Frage ist nun", sie legte das letzte Formular aus ihrer Hand, „ob ihr nun auch weiter hier bleiben wollt." Ihr Blick schweifte über die Reihen und in ihm lag eine Ernsthaftigkeit, die Miles so bei ihr nicht kannte.

„Lest euch den Bogen noch einmal aufmerksam durch. Es ist zwar nur eine Formsache, aber ..."

Geräuschvoll öffnete Miles seinen Rucksack, holte einen Stift hervor und kritzelte seinen Namen in die untere Spalte des Formulars. Er hatte genug von diesen Warnungen, er wollte endlich Magie lernen, das hatte er schon Blacky bestätigt. Unwirsch hielt er es Frau Wasabi unter die Nase.

Diese nahm es wortlos entgegen. „... aber ihr sollt nochmal darauf hingewiesen werden, dass Magie nicht unbedingt ein Segen und Magier sein nicht unbedingt das Zuckerschlecken sein wird, das ihr euch hier vielleicht gerade vorstellen werdet."

Miles merkte, wie Cora ihn von der Seite anstieß.

„Du weißt schon, dass du gerade deine Seele verkauft haben könntest, oder?"

Miles brummte nur. „Und wenn schon. Geht dich nichts an."

Das Mädchen zuckte nur mit den Schultern, bevor es sich wieder dem Formular zuwandte.

„Wenn ihr jetzt umkehren wollt und euch das zu viel wird - hier ist eure letzte Chance." Frau Wasabi sah sich in dem Raum um. „Ihr seht hier, was von euch erwartet wird. Wollt ihr das leisten, oder nicht?"

Vereinzelt wurden Stifte gezückt, doch niemand schrieb. Auch Cora zögerte. Dann sah sie hinüber zu Miles, der nur seine Arme verschränkte und stur zu Frau Wasabi hinüber starrte.

„Wird schon nicht so schlimm werden", murmelte das Mädchen und unterschrieb. Auch in den Rest der Gruppe kam Bewegung und ein Formular nach dem anderen wanderte zu Frau Wasabi. Am Ende waren alle unterschrieben.

„Oh, ein hundert Prozent Jahrgang", freute sich der Mann namens van Harzel, als Frau Wasabi ihm einen vielsagenden Blick zuwarf. „Und ich dachte schon, du hast sie verschreckt."

„Du weißt, dass ich nur deswegen hier bin", murmelte sie leise zurück, aber laut genug, als dass Miles es in der ersten Reihe hören konnte. Dann wandte sie sich wieder an die Klasse. „Schön, ihr habt alle unterschrieben. Damit darf ich euch nun offiziell an der Hochschule zu eurem ersten Tag in eurer magischen Ausbildung begrüßen. Keine Sorge, ihr seid jetzt fertig mit den Formalia, den Gang zum Amt übernehme ich jetzt." Sie zog eine leidvolle Miene. „Dann viel Spaß bei eurem ersten Unterricht. Ich überlasse euch nun Herrn van Harzel."

Mit diesen Worten verabschiedete sie sich und verließ den Unterrichtsraum. Miles sah ihr hinterher, bis die Tür wieder ins Schloss gefallen war. Eigentlich hatte er sie noch zur Rede stellen wollen, aber anscheinend musste er das auf einen anderen Tag verschieben.

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Sorry für die Verspätung und dass das Kapitel so kurz ist. Bei mir standen gerade Prüfungen an und der nächste Stress steht in Form von Umzug bereits vor der Tür. Könnte sein, dass es demnächst noch ein paar Verzögerungen gibt. Nächstes Mal wird das Kapitel länger, versprochen!

Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now