Kapitel 4 | Nur geträumt? III

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„Suspendiert?", fragte Däx entgeistert, als sie sich nur eine halbe Stunde später in der Nähe des Hauptbahnhofs trafen, um ihre Mägen mit Fast Food zu foltern.

„Ja", erwiderte Miles frustriert. „Und zusätzlich bekomme ich noch meinen persönlichen Psychodoc! Die behandeln mich wie einen wahnsinnigen Irren."

„Ey, die Lehrer sind voll krank."

„Wem sagst du das."

„Zu dieser Einschätzung deines geistigen Zustands bin ich schon vor Jahren gekommen und die merken das jetzt erst." Däx grinste breit.

„Fick dich!" Miles rammte seinen Ellbogen so heftig in Däx' Rippen, wie er es unter normalen Umständen nie gewagt hätte. Das Ergebnis war, dass er sich wehtat und Däx hirnlos zu kichern anfing.

„Sorry, Alter, aber das konnte ich mir echt nicht verkneifen."

„Ja, streu weiter Salz in meine Wunden", brummte Miles und biss ein großes Stück von seinem Burger ab. „Immerhin hab ich nur deinetwegen diese Scheiße am Hals! Wir waren beide völlig dicht, aber nur ich habe einen Schulverweis und einen Kater!"

Däx blieb so abrupt stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Grimmig stieß er Miles einen Finger vor die Brust. „Alter, mach mich nicht dafür verantwortlich. Das war einfach Pech! Ich hab von den Lehrern und meinen Eltern auch was zu hören bekommen. Ich weiß, du bist sauer und ich finde deine Suspendierung auch nicht gerade berauschend, aber es nützt dir nichts, dich noch weiter darüber aufzuregen und deinem Kumpel Däx die Schuld in die Schuhe zu schieben. Du hast schließlich mitgemacht, hättest auch ‚Nein' sagen können."

Miles wollte schon zu einer bissigen Antwort ansetzen, dass es sehr wohl seine Schuld war und dass er ein ‚Nein' keineswegs akzeptiert hätte, ließ es aber bleiben, denn das Letzte, was er jetzt noch gebrauchen konnte, war ein Streit mit seinem besten Kumpel, den er – Miles' Blick fiel auf Däx' gut trainierte Oberarme – auf jeden Fall verlieren würde.

„Du klingst schon wie Frau Wasabi", knurrte er den Schwanz einziehend. „Alles akzeptieren, die Situation einfach hinnehmen, sich nicht dagegen wehren. Mensch, die Sache mit den Autoreifen hat mir irgendjemand reingewürgt. Ich weiß nur nicht wer, wie und warum."

„Wer hat gesagt, dass du alles so hinnehmen sollst?", fragte Däx. „Was können sie dir schon großartig als Strafe auferlegen, eh? Egal was es wird, mach's einfach nicht. Mach einfach mehr Randale."

„Damit sie mich doch noch von der Schule werfen, meinst du?", fragte Miles ironisch. Däx ignorierte ihn, sondern fuhr in seinem Gedanken fort.

„Oder noch besser, Herr Akkurat fährt doch so ein schickes Wägelchen. Wenn da etwas passieren würde ..." Er ließ den Satz absichtlich offen.

„Spinnst du!?", rief Miles entgeistert. „Und wo lande ich dann als nächstes? Im Knast?"

Däx zuckte mit den Schultern. „Knast, Schule, wo ist da der Unterschied?", fragte er scherzhaft. „Sind beides Einrichtungen, in denen Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden."

„Die einen werden zu Recht, die anderen zu Unrecht eingepfercht", erklärte Miles. „Schon mal was von der Unschuld des Kindes gehört?"

„Gibt es nicht", antwortete Däx und stopfte sich den letzten Rest seines Cheeseburgers in den Mund. Er hielt sich nicht lange mit Kauen auf, sondern schluckte, damit er in seiner Erklärung fortfahren konnte. „Jedes Baby hat irgendwann mal in die Windeln gepinkelt oder Mami und Papi Nachts mit lautem Gequäke um ihren Schlaf gebracht. Und weil wir in einem Rechtsstaat leben, in dem jeder Mensch gleichberechtigt ist, wurde die Bestrafung all dieser kleinen Vergehen gegen die Eltern auch gesetzlich für alle Kinder durch Schule festgesetzt, so einfach."

Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now