Kapitel 3 | Party Hard III

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„Fuck!", brachte er hervor und versuchte, vor dem Wesen zurückzuweichen. Ein großer Fehler, wie ihm eine Sekunde zu spät bewusst wurde, denn die Dunkelheit setzte sich in Bewegung und kam direkt auf ihn zu. Miles verlor keine weitere Sekunde, sondern machte auf dem Absatz kehrt und rannte um sein Leben. Er war zwar nie der Kräftigste in der Schule gewesen, aber im Sprint blieb er ungeschlagen. Rennen zu können, stellte sich als eine nützliche Fähigkeit heraus, wenn man eine große Klappe besaß und zu allem Überfluss von dieser des öfteren Gebrauch machte.

Blindlings hastete er die Straße entlang, bog wahllos in weitere Seitengassen, sprang über Zäune, durchquerte dunkle Hinterhöfe und rannte, was seine Beine hergaben. Im Schein der Laternen wirkten die Häuser hoch und bedrohlich, als würden sie ihm den Fluchtweg abschneiden wollen. Er wollte um Hilfe rufen, erstickte den Schrei aber, bevor er seine Kehle verlassen konnte. Wer konnte ihm schon helfen? Das Wesen bestand aus Dunkelheit. Was sollte man dagegen schon ausrichten können? Er würde nur auf sich aufmerksam machen und diesem Monster seine Position verraten. Nein, er musste es abhängen, das war seine einzige Chance! Ob es seine Spur vielleicht schon verloren hatte?

Miles hielt inne und riskierte einen Blick über seine Schulter. Nichts. Kein Wesen verfolgte ihn. Er war allein. Geschafft!

Keuchend und etwas aus der Puste lehnte er sich gegen eine mit Graffiti besprenkelte Hauswand und sah sich um. Suchte es noch nach ihm? Hatte er es abgehängt? Konnte man Dunkelheit überhaupt abhängen? Oder noch wichtiger, konnte Dunkelheit sich im Schatten verstecken?

Intuitiv rückte Miles etwas näher an die nächste Straßenlaterne heran.

Das ist eine dumme Idee, flüsterte eine Stimme hinter seiner Stirn. Der Lichtkegel ist wie dein persönliches Spotlight. Auffälliger geht es kaum!

Miles zitterte und merkte, dass ihm der Schweiß kalt an den Armen klebte. Was sollte er tun? Schutz hinter der nächsten Hauswand zu suchen, war ihm ebenfalls unbehaglich. Was, wenn es genau dort auf ihn lauerte?

Er zögerte noch eine Weile, entfernte sich dann aber von der Laterne und trat ins Zwielicht. Miles lauschte. Nichts. Vielleicht bin ich ja gar nicht verfolgt worden, dachte er mit naiver Hoffnung. Vielleicht hat es ja ...

Der Gedanke traf ihn mit schockierender Härte: Däx! Sein Freund hatte keine Ahnung. Schutzlos lag er dem Wesen in irgendeiner schmalen Seitenstraße ausgeliefert. Und er, Miles, rannte einfach davon und ließ ihn im Stich! Kein Wunder, dass er nicht verfolgt worden war: Warum jagen, wenn es Beute gab, die nicht weglief und sich nicht wehren konnte?

Er zögerte. Angst lähmte seine Glieder. Dieses Wesen war echt und er zweifelte kaum daran, dass es ihm feindlich gesinnt war. Er wollte einfach nur noch weg von hier. Aber jede verstreichende Sekunde verstärkte die Sorge um seinen besten Kumpel. Vielleicht hatte es ihn ja noch gar nicht entdeckt. Er musste etwas tun!

Eilig aber immer noch umsichtig wie ein gejagtes Tier, lief Miles den Weg zurück – oder glaubte zumindest, ihn zurückzulaufen. Seine vom Alkohol angeschlagene Wahrnehmung war ihm kaum von Nutzen und Schwindelgefühle und Angst stellten auch nicht gerade die hilfreichsten Begleiter da.

Die Gassen ähnelten im mattem Licht der Straßenlaternen wie eine von Frau Abelschs Matheaufgaben der anderen. Als er schon meinte, sich vollkommen verirrt zu haben, fiel sein Blick auf das Straßenschild an der nächsten Häuserecke. Es war die Strauß-Allee. Jene Straße, durch die sie eben noch gemeinsam gelaufen waren, so viel hatte er noch mitbekommen.

Vorsichtig hielt er inne und wartete, bis sich sein keuchender Atem beruhigte, dann schlich er vorwärts, wobei er versuchte, so nah wie möglich an den Wänden der Häuser zu bleiben. Alles wäre still gewesen, wäre da nicht das Wummern seines wild pochenden Herzens, welches seinen Brustkorb zu sprengen drohte. Was mache ich, wenn es noch hier ist?, fragte er sich. Oder noch schlimmer, was ist, wenn es Däx bereits erwischt hat?

Das Erbe des LichtbringersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt