Kapitel 12 | Nachspiel

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Miles' Beziehung zu seinen Eltern? Also 'nen Vater hat er nicht. Ich meine, klar hat er einen, muss ja, aber den hat er nie getroffen. Ist abgehauen. War'n Ami, deswegen der Name. Miles hasst ihn. Verständlich. So'n Drecksack, der noch vor der Geburt des eigenen Sohnes abhaut - wer mag den schon? Miles lebt alleine mit seiner Mum, aber wie die beiden zueinander stehen, weiß ich nicht, seh sie nämlich nie zusammen. Sie ist viel arbeiten. Ich weiß gar nicht mal, was sie macht. Hab sie das auch nie gefragt, denn sie war meist nie da, wenn ich zu Miles rüberging. Wenn ich es recht bedenke, hab ich die Frau in meinem Leben vielleicht zweimal gesehen.

- Däx



Brenn, befahl Miles.

Das Streichholz zwischen seinen Fingern dachte nicht daran.

Brenn!, wiederholte Miles die gedankliche Anweisung – diesmal intensiver.

Das Streichholz blieb unbeeindruckt und widersetzte sich hölzern seinen Bemühungen.

„Brenn endlich, du verfluchtes Scheißding!", fluchte er nun laut. Der ausbleibende Erfolg zeigte deutlich, dass harsche Worte selten weiterhalfen. Miles seufzte und ließ sich auf sein Bett zurückfallen. Seit zwei Wochen gab ihm Blacky nun jeden Vormittag Unterweisungen im Gebrauch der Magie. Jetzt, wo er sich langsam daran gewöhnte, dass er immer mal wieder Schatten durch die Straßen schweben sah und allein mittels seinem Willen irgendwelche Sachen anzündeln konnte, wollte der Teenager mehr darüber erfahren. Also hatte er kurzerhand beschlossen, Blackys Warnungen zum Trotz, zu Hause ein wenig weiter zu üben. Merkwürdigerweise schien seine Gabe seinem Willen nicht mehr richtig zu gehorchen. Dabei hatte er sich extra ein Streichholz geholt, die brannten schließlich wie Zunder. Es sollte also leichter sein, als mit den morschen Ästen im Wald.

„Würdest du bitte brennen?", fragte Miles sanft.

Das Streichholz strapazierte weiterhin seine Geduld.

„Ach, fick dich!", fluchte der Teen und gab auf.

Er versuchte sich an Blackys Lektionen zu erinnern, merkte aber bald, dass er bei den lehrerhaften Ausschweifungen des Fuchses – wie in der Schule auch – nur mit halben Ohr zugehört hatte. Was interessierten ihn irgendwelche wissenschaftliche Abhandlungen über Magie? Er wollte doch einfach nur zaubern. Musste heutzutage auch wirklich alles verwissenschaftlicht werden?

Allerdings wusste er jetzt nicht, warum er an der Schlossruine Äste und Zweige in Asche verwandeln konnte und jetzt noch nicht einmal in der Lage war, einen simplen Funken zu erzeugen.

Frustriert holte er sein Smartphone hervor, um sich im Internet ein wenig auf andere Gedanken zu bringen. Er hatte kaum mit dem Surfen richtig begonnen, als es unerwartet an der Tür klopfte und wenig später seine Mutter ins Zimmer trat.

Miles wunderte sich, warum sie schon zu Hause war. Vor sechzehn Uhr sah er sie eigentlich nur zum Frühstück bevor er zur Schule fuhr und selbst dann nicht immer. Sie musste gerade erst angekommen sein, denn sie trug noch ihre Arbeitsklamotten: Schwarze Hose und schwarzes Jackett über einer weißen Bluse. Für Miles war es nach wie vor unverständlich, wieso manche Arbeitgeber ihre Angestellten bei solchen Temperaturen in ein Jackett zwangen. Die Begründung lautete angeblich: Gutes Erscheinungsbild. Aber machten durchgeschwitzte Angestellte mit hochrotem Kopf ein gutes Erscheinungsbild? Wohl eher nicht. Miles kam nie aus dem Staunen raus, wie krank die Welt doch war.

„Hallo, Miles", sagte sie und trat ein.

„Hi, Mum", erwiderte er und sah teilnahmslos auf sein Handy. „Wenn du dich fragst, warum meine Wäsche nicht gewaschen ist, dann lautet die simple Antwort, weil ich es noch nicht gemacht habe."

Das Erbe des LichtbringersTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon