Kapitel 46 | Der Anfang vom Ende II

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Nur eine knappe Minute später erreichte er den Hauptflur, auf dem der Empath alleine vor dem schwarzen Brett wartete.

„Danke", sagte Flip, als Miles ihm den Stab überreichte. „Das hat ganz schön gedauert. Ich vermute, Katy war nicht begeistert von dem Plan?"

Der Funkenschmied ging nicht darauf ein. „Entziffere du nur die Nachricht. Die anderen sind schon unterwegs?"

Flip nickte durch die die schroffe Antwort verunsichert. „Ja, Felix ist mit Däx gegangen. Cora wartet auf deine Hilfe im Raum B-1010. Und ... alles okay?"

Miles antwortete nicht. Er hatte sich bereits auf den Weg gemacht.


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Ein verlassener Vorlesungssaal. Eigentlich nur die größere und langweiligere Version eines Klassenzimmers. Nicht die Art Raum, in der Miles sich gerne aufhielt - vor allem nicht auf einer wackeligen Konstruktion aus mehreren aufeinander gestapelten Stühlen. Solange er hektische Bewegungen vermied, würden sie ihn hoffentlich tragen.

Mit den besten Hoffnungen löste er den Blick von den Stühlen und richtete ihn lieber auf sein Ziel.

„Wie ich's mir dachte, das Ding ist festgeschraubt", sagte er bei näherer Untersuchung. „Du hast nicht zufällig passendes Werkzeug in deinem Rucksack?"

Cora, die gerade in der anderen Ecke des Raumes damit beschäftigt war, ein weiteres Kunstwerk aus Stühlen aufzuhäufen, unterbrach ihre Arbeit.

„Nein, leider nicht."

„Dann lauf mal eben zu Flip und borg uns den Stab aus."

Cora brummte genervt. „Miles, reiß das Ding einfach ab. Wir brauchen die Magie des Stabes noch."

„Witzig, dann breche ich mir nur das Genick!" Er drückte mit der Schuhspitze leicht gegen den Nachbarstuhl, woraufhin sich sein Untergrund drohend bewegte. „Hol mir eben den Stab, die Halterungen sind aus Plastik, das braucht nicht viel Magie die eben durchzubrennen."

„Na, wenn du das sagst." Sie warf ihm noch einen genervten Blick zu, bevor sie den Raum verließ. Eine knappe Minute später kehrte sie zurück, das wohl mächtigste magische Artefakt dieser Stadt in ihren Händen. Sorglos warf sie es ihm zu. Miles fing den Stab.

„Danke."

„Flip meint, du sollst dir ein wenig was rausnehmen, damit ich ihn wieder zurückbringen kann."
Miles verzog fragend die Mundwinkel. „Rausnehmen?"

„Ja", bestätigte Cora. „Der menschliche Körper kann genauso wie ein Zauberstab Magie speichern. Nur eben nicht ganz so viel. Hat mein Meister mal erwähnt."

Miles zuckte mit den Schultern und betrachtete den grimmig dreinblickenden Drachenkopf des Stabes. „Gut zu wissen."

Dann begann er ganz intuitiv ihn anzuzapfen. Coras Sorgen waren unbegründet. In dem Stab befand sich genügend Magie, um hundert Mal - ach was, tausend mal so viele Plastikhalterungen durchzubrennen. Wenige Sekunden später rümpfte er die Nase. Wieso musste Plastik beim Verbrennen nur so stinken?

Die Halterung gab nach und Miles nahm den gelösten Lautsprecher an sich. Ein Klassenzimmer. Nur brauchten die Lehrer hier technische Hilfe, damit man sie in den hinteren Reihen noch verstehen konnte. Gut für ihn.

Zufrieden kletterte er mit seiner Beute in den Händen nach unten und verstaute sie in seinen von jeglichen Schulsachen befreiten Rucksack. Dann zapfte er noch ein wenig Magie ab. Cora hatte recht, er konnte tatsächlich Magie in seinen Körper leiten. Zuvor war ihm das nie aufgefallen - vermutlich, weil der menschliche Körper in einem magischen Feld automatisch von Magie durchdrungen wurde. Erst jetzt in diesem magischen Loch spürte er den Unterschied.

Das Erbe des LichtbringersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt