Kapitel 27 | Die Hoffnung stirbt zuletzt

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Simpel gesprochen ist das, was die Begabung eines Magiers hervorruft, nur die Aktivierug seines M-Gens. Diese Aktivierung ist nicht angeboren, sondern vollzieht sich erst im Teenageralter. Menschen, bei denen das M-Gen nicht aktiviert wird, bleiben unbegabt.

- aus Leubrunners Lehrbuch der Magie; Abschnitt 1.2 Begabte Magier




Den Weg zur nächsten Bushaltestelle liefen die beiden Jungs schweigend nebeneinander her. Die Hände tief in den Taschen seiner Jacke vergraben, ließ Miles das gerade Geschehene Revue passieren. Zugegeben, er hatte sich dieses Date anders vorgestellt, aber insgesamt war es kein komplettes Desaster geworden.

Er schielt zu seinen dunkelhaarigen Begleiter. Als hätte er seinen Gedanken aufgefangen, drehte ihm dieser den Kopf zu.

„Du hast ein schlechtes Gewissen", stellte er fest.

Miles wusste, dass Leugnen keinen Zweck hatte.

„Ja", murmelte er.

Leider verstärkte sich das Gefühl, als Flip nichts darauf erwiderte. Gewissensbisse in einer solchen Situation waren ihm neu. Es war nicht das erste Mal, dass Miles eine andere Person ausnutzte. Bei Sarah hatte es auch schon dazu geführt, dass er von ihr abschreiben durfte. Ein paarmal hatte es funktioniert, bis sie dahinter gekommen war. Doch zu jener Zeit hatte Miles sich nur darüber lustig gemacht, wie lange sie gebraucht hatte, es zu raffen. Doch nun sah die Situation anders aus. Als sie die verlassene Bushaltestelle erreichten, hielt Miles es nicht mehr aus.

„Ehrlich, es wäre mir gerade lieber, wenn du mich einfach im Stich gelassen hättest", fuhr er den Empathen aufgebracht an. „Man, ich hab dich ausgenutzt! Ich wollte von Anfang an nur, dass du Katy mit deiner Empathengabe für mich manipulierst, da ist das dein gutes Recht! Ich verstehe das nicht. Wieso hast du mir dennoch aus der Patsche geholfen?"

Überrascht von seinem plötzlichen Ausbruch hob der Empath die Augenbrauen. Dann zogen sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln in die Breite.

„Ich bin es gewohnt."

Die Worte verstärkten sein Schuldempfinden nur. „Das ist kein Grund zur Freude ..."

Flips Lächeln verschwand. „Ist es nicht. Aber weißt du ... Gleiches mit Gleichem zu vergelten ist nicht meine Art. Auch ohne meine Gabe fühle ich zu sehr mit anderen mit. Man sagt ‚tu Gutes, dann kommt Gutes zu dir zurück.' Ist Blödsinn, hab ich irgendwann kapiert. Aber deswegen anderen absichtlich zu schaden, ist auch keine Lösung. Es gibt genug Schlechtes in der Welt, ich muss da nicht auch meinen Beitrag zu leisten, das tun genug andere."

„Aber die Genugtuung, wenn dir jemand auf den Sack gegangen ist und du dann ..."

„Verpufft innerhalb der nächsten Sekunden", unterbrach Flip seine Erklärung.

Dann schwiegen sie wieder. Ein vorbeifahrendes Auto durchbrach kurzfristig die Stille bevor es in eine der Seitenstraßen einbog.

„Du bist ein echter Freund, Flip."

Der Empath runzelte die Stirn. „Meinst du das diesmal ernst? Normalerweise schubsen Typen wie du, Typen wie mich auf dem Schulhof herum. Wenn du jetzt dein schlechtes Gewissen irgendwie beruhigen willst, mach das anders. Ich mag es nicht, das Gefühl von Schuld ständig um mich herum zu haben." Er zog den Kopf ein, als er merkte, das Miles ihn blöd anstarrte. „Mir würde es schon reichen, wenn du mir aus Dankbarkeit für das, was ich gerade gesagt habe, keine reinhauen würdest."

Das Erbe des LichtbringersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt