Kapitel 46 | Der Anfang vom Ende III

628 84 143
                                    

Die Energie seiner Wut verwandelte sich sofort in Euphorie. „Wo?", rief Miles aus. „Wo, Felix?"

Der Junge antwortete nicht, sondern starrte ihn nur aus weit aufgerissenen Augen an.

„Jetzt sag schon", widerholte Miles ungeduldig. „Sag uns, wo der Hexenmeister seinen Unterschlupf hat!"

Felix schüttelte den Kopf.

„Ey, wieso nicht?", brauste Miles auf. „Jetzt hilf deinem großen Bruder. Das ist gerade wichtig!"

„Nein", rif Felix und erneut schimmerten erste Tränen in seinen Augen. „Das mache ich nicht!"

„Wieso nicht?", fauchte Miles nun ungehalten. „Yolanda stirbt, du hast es selbst gesehen. Wir müssen jetzt etwas tun!"

„Weil er dich tötet", rief Felix nun ebenso ungehalten zurück, wobei seine kindliche Stimme sich beinahe überschlug. „Oder du dich tötest. Dann bist du auch wieder weg. Das will ich nicht!"

„Du denkst also, dass ich das nicht kann? Etwa, weil Niclas mir eins aufs Maul gegeben hat?" Miles knirschte mit den Zähnen, als er an das Duell mit dem Sturmrufer zurückdachte. „Nur weil du ein wenig im Leubrunners gelesen hast, weißt du noch lange nicht was ich kann und was nicht! Ich hab's satt, das niemand Vertrauen in mich hat! Gerade von dir hab ich mehr erwartet!"

Felix schniefte und ermöglichte den Tränen nun ungehindert über seine Wangen zu fließen. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und den Gang hinunter. Miles sah noch, wie er im nächstbesten Klassenzimmer verschwand und geräuschvoll die Tür hinter sich zuschmetterte.
Er seufzte vernehmlich. „Ganz große Klasse ..."

Däx ließ die Knöchel knacken. „Lass mich das regeln. Ich bekomme schon raus, was er weiß."

„Auf gar keinen Fall", zischte Cora. „Das lass mal schön Miles regeln. Er hat ihm schließlich zum weinen gebracht." Vorwurfsvoll sah sie zu ihm hinüber.

Der Kubaner zuckte mit den Schultern. „Vermutlich weiß der Knirps eh nichts, sondern hat wieder geflunkert. Scheint ja gut darin zu sein."

„Aber wir können uns eben auch nicht sicher sein", murrte Miles unzufrieden. „Er ... Alter, was ist denn mit dir los, Flip?" Er starrte in die Gesichtslandschaft des Empathen, die nun ebenfalls einem Flussdelta glich.

„Ist das nicht offensichtlich!?", rief Flip aufgebracht. „Man, ich habe eine scheiß Angst um dich. Du bist mir verdammt wichtig, ey!"

Die Worte hinterließen ein verstörtes Schweigen. Miles sah zuerst in Flips verweinte Augen, dann wanderte sein Blick auf Varengards Stab, den der Empath immer noch mit beiden Hänen fest umklammerte hielt. Er zählte zwei und zwei zusammen.

Flip musste den gleichen Schluss gefasst haben, da er den Zauberstab nahezu von sich stieß, als hätte er sich in seinen Händen in eine giftige Schlange verwandelt. Miles fing das Artefakt auf.

„Bist du schwul, eh?", fragte Däx und verzog angewidert das Gesicht.

Flips Gesicht lief puterrot an. „N-nein, ich ... ich muss eben aufs Klo!" Und damit wandte er sich ab und hastete schnellen Schrittes in die entgegengesetzte Richtung wie Felix davon.

„Stockschwul sogar", schnaubte Däx. „Passt zu dieser halben Portion."

„Lass Flip in Ruhe", murrte Miles, den Blick immer noch auf den Zauberstab gerichtet. Und mehr zu sich murmelte er: „Manchmal ist seine Gabe doch echt praktisch ..."

Entschlossen drehte er sich um. „Ich seh mal nach Felix. Vertragt euch so lange."

„Ich kann helfen, die Wahrheit aus ihm rauszubekommen", bot Däx an, aber Miles schüttelte nur den Kopf.

Das Erbe des LichtbringersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt