Kapitel 3| Party Hard I

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„Ich weiß auch nicht, was Däx und ich damit beweisen wollten. Ich wollte nur meine Grenzen austesten - wie immer - und Däx ... der wollte bestimmt einfach nur Spaß haben. Beides war auch erfolgreich - mehr als mir lieb war ..."

- Miles Helion



Die beiden Freunde verließen schon früh das Haus, um eine Begegnung mit Miles' Mum zu umgehen. So konnte er ihr einfach einen Zettel auf den Küchentisch legen, auf dem stand, dass er zu Däx gegangen sei und vorhabe, über Nacht bei ihm zu bleiben. Sie musste ja nicht unbedingt wissen, was sie in Wirklichkeit planten. Zudem war es eine glaubhafte Ausrede, da er immer mal wieder bei Däx zum Übernachten blieb.


Doch statt zu Däx zu gehen, vertrieben sie sich auf einem nahe gelegenen Bolzplatz mit Elfmeterschießen die Zeit. Sie waren zwar beide keine sonderlichen Fußballfans, aber die Bewegung war eine willkommene Abwechslung zum Ballern auf der Konsole. Lieber fuhr Miles mit seinen Skateboard durch die Gegend oder versuchte sich an ein paar Tricks. Da aber Däx dieses Hobby nicht teilte und ihm nur zugucken konnte, was in dummen Sprüchen über einen nicht gelungenen Slide oder Flip enden würde, hatten sie sich diese Alternative gesucht.

Anschließend schauten sie noch kurz bei Däx zuhause vorbei - allen voran um noch einmal zu duschen. Duchgeschwitzt wollte niemand von ihnen im Star Light aufkreuzen.

Danach verließen sie das Haus - natürlich mit der Ausrede, zu Miles zu gehen und dort zu übernachten. Draußen dämmerte es bereits und warme Abendluft empfing sie mit einer herzlichen Umarmung. Perfektes Timing! Das heiße Nachtleben konnte beginnen!

Unruhe regte sich in Miles, während sie gemeinsam durch die Straßen Richtung Innenstadt schlenderten. Schließlich wollte er sich als Minderjähriger mit dem Personalausweis eines anderen Zutritt zur angesagtesten Diskothek ihres Viertels verschaffen. Zudem verspürte er dieses ekelige Kribbeln im Bauch, ein sicheres Zeichen dafür, dass Ärger im Anmarsch war.

Doch der Drang, mit Däx ins Star Light zu gehen überwog. Seit Wochen schwärmte sein Kumpel nämlich bereits davon und Miles war es leid, immer nur die Geschichten zu hören und selbst nicht mitzudürfen. Däx war schon seit einer ganzen Weile sechzehn und hatte dementsprechend keine Schwierigkeiten mit dem Eintritt, aber bei Miles würde es noch eine gefühlte Ewigkeit bis zu seinem Geburtstag dauern und so lange wollte er einfach nicht warten.

Däx war ein gutes Jahr älter als er, weil er die zweite Klasse wiederholen musste. Damals waren sie die besten Freunde geworden, denn Miles hatte dafür gesorgt, dass sein neuer Kumpel nicht noch einmal sitzen blieb, damit sie weiterhin gemeinsam in eine Klasse gehen konnten. Dadurch war er bei Däx' Eltern immer gern gesehen und hatte nie Probleme mit Schlägern auf dem Schulhof, denn Däx war schon als kleiner Junge auf die Größeren losgegangen - mit Erfolg! So entstand echte Freundschaft.

Miles' innere Unruhe verstärkte sich, als die Diskothek dann schließlich vor ihnen auftauchte. Vor dem Eingang standen mehrere Jugendliche in kleinen Gruppen zum Rauchen, oder einfach nur, um sich mit einer neu gemachten Bekanntschaft zu unterhalten - oder wie Miles bei der Betrachtung eines Pärchens feststellen musste - ungestört rumknutschen zu können. Er lenkte den Blick erst wieder von den beiden, als Däx ihm in die Rippen stieß und ihm vielsagend zuzwinkerte.

„Die ist schon belegt", witzelte er. „Wir suchen dir eine andere."

Miles grinste und spürte wie Erregung und Scham ihn durchfluteten, als er sich eine entsprechende Szene mit sich selbst in der Hauptrolle ausmalte. Bisher waren seine ersten Versuche der Kontaktaufnahme mit dem weiblichen Geschlecht eher dürftig gewesen, aber was sollte man von den Zicken in seiner Klasse auch erwarten? Die richtig heißen Mädels lernte man schließlich in der Disko kennen, das wusste doch jeder.

Etwas verunsichert sah Miles noch einmal an sich herunter. Ein offenes Hemd über einem schwarzen T-Shirt, Jeans und Turnschuhe; simpel und lässig. Passt!

Voll neuer Zuversicht wollte er seinem Kumpel folgen, als sein Blick auf den Türsteher vor dem Eingang fiel, ein Mann, auf dessen Erscheinung der Begriff „Neandertaler in Bomberjacke" kaum treffender passen konnte. Miles' Grinsen gefror augenblicklich, als ihm sein falscher Perso in Erinnerung gerufen wurde.

Däx bemerkte seine Reaktion, denn er legte ihm den Arm um die Schultern, um ihn weiter in Richtung Eingang an die Schlange der Wartenden zu drängen. „Ganz natürlich bleiben, Partner, dann merkt er auch nichts."

Miles schwieg. Am liebsten hätte er auf der Stelle kehrt gemacht. Einzig und allein die Tatsache, dass er sich damit vor seinem Kumpel bis aufs Mark blamieren würde, hielt ihn von dieser Entscheidung ab.

Während sich die verhältnismäßig kurze Schlange vor ihnen lichtete, nahm seine Nervosität nur weiter zu. War das der Beat der Musik, oder schon sein Herzschlag, der da wie Donner durch seinen Körper rollte? Nur noch eine Person vor ihnen, dann würde der Hüne sich ihm zuwenden. Miles fischte den Perso aus seiner Tasche und merkte, dass seine Hände schwitzig waren. Es würde schief gehen.

Er wollte umdrehen, aber bevor sein Körper dieser Anweisung gehorchen konnte, hatte der Mann ihn bereits ins Visier genommen. Miles erstarrte und er spürte, wie Däx ihm erneut in die Rippen stieß.

„Den Perso!", zischte er.

Geistesgegenwärtig hob Miles den Ausweis, damit der Türsteher einen Blick drauf werfen konnte. Fuck! Er wird es merken! Es ist viel zu hell hier. Jeder Depp sieht doch, dass das nicht ich bin. Wieso hab ich mich darauf eingelassen, ich ...

„Jo", sagte der Türsteher und befestigte ein grünes Bändchen an seinem Handgelenk, bevor er ihn durchwinkte. Miles reagierte nicht, hatte er doch mit einer völlig anderen Antwort gerechnet. Erst als Däx ihn durch den Eingang zerrte, gewann er die Gewalt über seinen Körper zurück.

Sein Kumpel zwinkerte, verkniff sich aber den Kommentar. Miles hätte ihn sowieso nicht mitbekommen, zu überwältigt war er von der Fülle an Farben, Lichtern, Gerüchen und Lauten, die ihn drinnen in Empfang nahmen. Es war pure Reizüberflutung und Miles wusste gar nicht, wohin er sich zuerst wenden sollte. Staunend beobachtete er die Menschen auf der Tanzfläche, die ihre Körper im Rhythmus der Musik bewegten, während Däx ihn etwas abseits an die Seite zog. „Siehst du", brüllte er ihm ins Ohr, um sich verständlich zu machen. „War doch gar nicht so schwer."

„Ja", sagte Miles und merkte, dass das Wort völlig im Bass der Musik unterging.

Erst jetzt realisierte er die Situation in ihrer Vollständigkeit. Miles grinste. Sie hatten es tatsächlich geschafft. „Ja", brüllte er zurück. „Aber nur, weil der Typ am Eingang selbst durch eine Deutscharbeit in der Grundschule gefallen wäre."

„Nein", erwiderte Däx. „Weil die einfach in der Woche nicht so genau hinsehen. Denen gefallen sonst die Zahlen auf der Einkommensliste nicht."

Miles lachte. All die Anspannung von eben war vergessen. Warum hatte er sich eigentlich Sorgen gemacht? Er war im Star Light! Und das wollte er jetzt auskosten!

„Okay", rief er und deutete auf die Tanzfläche. „Dann zeig mir mal, wie man Mädels klarmacht. Ich will jetzt sehen, was hinter deinen Worten steht."

„Mehr als hinter deinen lässigen Sprüchen auf jeden Fall", spottete Däx zurück. „Schau zu und lerne. Aber zuerst", Däx deutete auf die Bar, „holen wir dir was zu trinken."


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Miles und Alkohol - da kann ja gar nichts passieren. Schließlich ist er ein total verantwortungsbewusster Junge!


Sorry, falls das Kapitel heute etwas zu kurz ist, ich fand keine bessere Stelle für einen Cut. Nächstes Mal gibt es mehr, versprochen >^..^<




Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now