Kapitel 35 | Nur ein Spaß III

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Die Warnung kam zu spät, der Schatten hatte sie längst bemerkt und schoss wie ein schwarzer Blitz aus dem Dunkel der Seitengasse heran. Miles packte seinen erstaunten Sidekick am Arm und zog ihn grob hinter sich her. Felix schrie auf, doch nach kurzem Widerstand bemühte er sich, mit Miles Schritt zu halten, um nicht zurückzubleiben.

Verflucht!, dachte Miles, während sie die Straße runterrannten. Ist Felix nicht noch viel zu jung? Ich dachte, man fängt frühestens mit dreizehn an, einen Schatten zu sehen, selbst unter Alkoholeinfluss! Scheiße, warum kann er das Biest plötzlich sehen!?

„Miles, nicht da rein", hörte er Felix rufen, aber ihm war es egal, er wollte nur noch fliehen. Zu spät bemerkte er, warum der Junge nicht in diese Straße einbiegen wollte. Es war eine Sackgasse.

Ängstlich wirbelte Miles herum und sah, wie sich die Konturen des Schattens vor der Öffnung der Gasse im Mondlicht abzeichneten. Einen Moment verharrte er dort, dann segelte die Kreatur mit beängstigender Geschwindigkeit auf sie zu.

Rein instinktiv und ohne die Aussicht auf eine andere Fluchtmöglichkeit, ließ Miles einen Feuerball in seinen Händen auflodern, gerade noch rechtzeitig, denn das Wesen war direkt vor ihm. Wütend zuckte es zurück und gab ein Fauchen von sich, welches Miles die Zähne im Mund vibrieren ließ. Hektisch schwebte es ein Stück höher und stach mit einem klauenartigen Auswuchs nach Miles, der ihn an der rechten Schulter streifte. Heißer Schmerz ließ das Feuer in seinen Händen schwächer werden, doch Miles hing zu sehr an seinem Leben, um die schützenden Flammen jetzt erlöschen zu lassen und verbrannte nur noch mehr Magie.

„Lauf weg!", rief er Felix zu, der wie versteinert neben ihm stand und das Wesen aus vor Furcht geweiteten Augen anstarrte. „Lauf!", schrie Miles und endlich setzte sich der Junge in Bewegung, rannte an dem Wesen vorbei auf den Eingang der Gasse zu.

Dem Schatten blieb dieses Vorhaben nicht verborgen und sofort wandte er sich von Miles ab, um die schwächere Beute zuerst zur Strecke zu bringen.

„Oh nein", wisperte Miles über diese von ihm nicht erwartete Reaktion des Schattens. Aus einem Reflex heraus ließ er das Feuer in seinen Händen anschwellen und jagte die Flammenkugel direkt in den nebelförmigen Leib der Kreatur. Einmal mehr fauchte der Schatten, bevor er sich in dunkelroten, beinahe schwarzen Flammen verflüchtigte.

Dann Stille.

Miles traute seinen Augen kaum. Hieß es nicht, Schatten könnten nicht bekämpft werden? Sie verbrannten doch wie Gas! Vielleicht war das ihre Schwäche. Somit wäre er als Funkenschmied sicher.

„Miles, pass auf!", hörte er Felix' Stimme vom anderen Ende der Gasse und er duckte sich gerade noch rechtzeitig, bevor ein ganzer Satz von Klauen seinen Körper an mehreren Stellen durchbohren konnte. Nur eine Sekunde später formte sich der platte Kopf der nebelartigen Kreatur und zwei düstere Augen maßen ihn mit unverholenem Ärger.

Miles überlegte nicht, sondern rannte um sein Leben.

Während er lief, entzündete er zwei neue Feuerbälle in seinen Händen, damit das Wesen ihm nicht in den Rücken stechen konnte. Schnaufend erreichte er die Hauptstraße und trat hastig an Felix' Seite. Er wirbelte herum, in der festen Erwartung, den Schatten erneut mit den Flammen auf Distanz halten zu müssen, doch nichts dergleichen war nötig.

„Ist es ... ist es weg?", traute sich Felix zu fragen, während er sich an Miles festhielt und ängstlich an ihm vorbei in die Sackgasse spähte.

„Ganz sicher nicht", antwortete Miles. „Dieses Spiel kenne ich schon. Pass auf den Boden auf, die können sich verdammt platt machen."

„Ist das ein Schatten?", fragte Felix weiter und Miles spürte, wie sich seine kleinen Finger fester in den Stoff seiner Jacke gruben.

„Ja", bestätigte er ihm tonlos

Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now