Kapitel 45 | Der Tupperdosendiebstahl II

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Unangenehme Stille breitete sich aus. Blicke wurden hin und her geworfen, Blicke, denen Flip lieber auswich. Er hasste solche Situationen. Die einzige Möglichkeit, das Schweigen zu brechen, bestand darin, selbst das Wort zu erheben. Allerdings sah Flip gerade keine brauchbaren am Boden seines Sprachzentrums herumliegen. Nur „Ähm" befand sich in greifbarer Reichweite und damit würde er nur auf peinliche Weise die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Er riskierte einen kurzen Blick in die Runde. Konnte nicht irgendjemand endlich etwas sagen? Das war ja nicht auszuhalten!

Cora löste das Problem für sich, indem sie einfach den Raum verließ - vermutlich, um Miles hinterherzurennen. Flip überlegte, ob er ihr folgen sollte. Die Gesellschaft eines wütenden Funkenschmieds war bestimmt nicht viel angenehmer. Aber besser als dieses Schweigen.

„Vielleicht sollte ich auch ... ähm." Verzweifelt deutete er in die Richtung des Ausgangs.

„Lass mal." Eine schwere Hand legte sich auf seine Schulter, die nach dem Gewicht zu urteilen nur diesem Däx gehören konnte. „Die Kleine hat alles unter Kontrolle. Funk da mal nicht zwischen, das wirft nur Zunder ins Feuer."

„Kommt drauf an", mischte sich Blacky ein. „Der Junge ist kein Stück erwachsen geworden. Kann das Mädchen ihn davon abhalten, eine riesengroße Dummheit zu begehen? Ich habe nämlich jetzt weder Zeit noch Lust noch Geduld dafür, ihn zur Vernunft zu bringen."

Flip überlegte. Eigentlich würde Cora einer Dummheit eher zustimmen. Er erinnerte sich noch deutlich, wie sie Miles ohne Bedenken über die Feuerleiter auf ein Hochhaus gefolgt war, oder wie sie zusammen diesen Zeugen gesucht hatten. Dazu kam noch, was die beiden sich manchmal in der Cafeteria an Stories aus der Schule erzählten. Es wäre besser, er würde ihnen folgen – woraufhin er vermutlich einfach mit in die Sache reingezogen würde, weil keiner der beiden auf ihn hörte.

„Sie bekommt das hin!", sagte er so überzeugt wie möglich. Er hatte die ganze Zeit neben Cora gestanden. Sie schien beunruhigt und sich dem Ernst der Lage bewusst. Wirklich sicher konnte er sich ohne Magie allerdings nicht sein. So froh Flip auch war, das erste Mal nicht ständig die Emotionen anderer zu spüren ... es war, als hätte ihm jemand ein Auge ausgestochen. Es fehlte einer seiner gewohnten Sinne.

„Gut", sagte Blacky und musterte die verbleibenden Teenager. „Es gibt da nämlich noch ein paar Dinge, die ihr wissen solltet. Ich denke, ihr habt mitbekommen, dass die Lage ernst ist, aber ich muss verdeutlichen, mit wem wir es hier zu tun haben. Ihr müsst über alles im Bilde sein."

Der Fuchs räusperte sich, dann begann er zu erzählen. „In der letzten Woche der Sommerferien sind Miles und ich erstmals auf den Hexenmeister aufmerksam geworden. Ein glücklicher Zufall, denn so konnte ich ihn ausspionieren. Er kommt nicht aus dieser Zeit. Technik und die heutige Gesellschaft irritieren ihn. Yolanda vermutet, dass es sich bei ihm um jenen Hexenmeister handelt, dem wir die Revolution der Nichtmagier und die Hexenmverbrennungen im Mittelalter verdanken und weswegen wir Magie heute nur noch im Verborgenen praktizieren."

Katy schnappte hörbar nach Luft. „Von dem hab ich gelesen ... ich dachte, der sei besiegt worden? Wie kommt der hierher?"

Blacky zuckte mit den Schultern. Eine merkwürdige Geste bei einem Fuchs. „Vermutlich hat der erste Lichtbringer erkannt, dass er ihn nicht vernichten konnte und die Lösung des Problems ... der Nachwelt überlassen. Wie er das geschafft hat, darüber kann man nur rätseln. Niemand konnte bisher die legendäre Lichtgabe erforschen – ein weiterer Grund, wieso wir Miles schützen müssen."

Wie gut, dass er jetzt nicht hier ist, dachte Flip. Diese Aussage hätte ihn garantiert noch wütender gemacht.

„Jedenfalls hätte unser Hexenmeister den hiesigen Magiern viel früher auffallen müssen", fuhr Blacky fort. „Leider wurde er erwartet: von einem Schwarzmagier – und einem mächtigen noch dazu. Keine Ahnung woher er wusste, dass dieser Hexenmeister plötzlich in dieser Zeit auftauchen würde. Vermutlich hat einer seiner Vorfahren herausgefunden, dass der erste Lichtbringer die Geschichte verändert und zu seinen Gunsten umgeschrieben hat – ein Familiengeheimnis, wenn man so will. Schwarzmagier sind meist sehr geizig, was das Teilen von Wissen angeht."

Das Erbe des LichtbringersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt