Kapitel 4

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Miguel

"Setz dich aufs Bett.", rufe ich aus dem Badezimmer, als ich höre, wie sie mein Schlafzimmer betritt.
Ich krame Salbe und ein großes Pflaster aus dem Badezimmerschrank, dann lege ich mein Jackett ab und knöpfe mein Hemd etwas auf. 

Seit Tagen ist es unfassbar heiß in der Stadt und die hohe Luftfeuchtigkeit lässt sogar mich an meine Grenzen kommen. 

"Zieh deinen Pullover hoch.", bitte ich sie und lege die Sachen neben ihr aufs Bett.

"Was?", fragt sie mich irritiert und sieht mich wie ein verschreckten Tier an. 

"Du sollst deinen Pullover hochziehen, damit ich deine Verletzung versorgen kann.", wiederhole ich mich eine Spur zu unfreundlich.

Gewohnheit.  

"Bitte.", werfe ich hinterher, nachdem ich tief durchgeatmet habe. Ich muss mich wohl wieder dran gewöhnen, dass ich mit Amara spreche und nicht mit einem Partner oder Kollegen. 

Während ich den Deckel der Salbe aufschraube, wundere ich mich, dass sie nicht auf mich hört.
"Gibt es etwas, dass ich noch nicht gesehen hab?", ärgere ich sie und schaue sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich kann es nicht lassen und vermutlich ist das ein ganz schlechter Zeitpunkt. Was diese Ebene unserer Beziehung angeht, ist alles geklärt und ich sollte es jetzt eigentlich nicht noch komplizierter machen. 

Ihr Gesicht wird rot vor Scham.

"Los jetzt.", breche ich das Gespräch ab, weil es sich zu einer Diskussion entwickelt, und auch meine Gedanken beginnen, immer öfter abzuschweifen.

Endlich dreht sie sich um und zieht den schwarzen Pulli bis unter ihren BH.

"Leg dich aufs Bett."
Mit einer Hand drücke ich sie an der Schulter herunter, sodass sie schließlich mit dem Bauch auf der weichen Bettdecke liegt.

Als ich die kalte Salbe auf ihre verletzte Haut auftrage, spannt sie sich an, doch davon lasse ich mich nicht beirren. Ich weiß, wie weh das tut, aber ich kann es nicht ändern, auch wenn ich es wollen würde. 

"Setz dich auf, ich muss mir die Wunde an deiner Rippe ansehen.", spreche ich mit ihr, während ich die Salbe zudrehe.
Sie zögert, tut jedoch was ich sage.

Als ich den feuchten Wattebausch auf ihre Wunde drücke, zuckt sie zurück. 

"Schon gut.", flüstere ich leise. 

"Das tut weh!", beschwert sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht und will erneut nach meinem Handgelenk greifen, doch ich halte sie geschickt auf.
"Ich weiß, aber da musst du durch."

Ich greife nach ihrer Hand und ziehe sie auf mein linkes Bein, nachdem ich mich aufs Bett gesetzt habe.
Mit dem linken Arm greife ich um ihre schmale Taille, damit ich sie fester im Griff habe und mache dann weiter. 

"Miguel!", wimmert sie auf, kann sich allerdings nicht bewegen, weil ich sie fest im Griff habe.

"Ist gleich vorbei, mi Amor.", versuche ich sie zu beruhigen und ignoriere, dass mir dieser Kosenamen heute zum zweiten Mal über die Lippen gehuscht ist.
Das der Alkohol im Desinfektionsmittel brennt, ist mir klar, aber da muss sie jetzt durch. Wenn ich es nicht zeitnah desinfiziere, kann sich die Wunde entzünden und im schlimmsten Fall kriegt sie eine Blutvergiftung.

"Aua!", greift sie schnell nach meinem rechten Handgelenk und drückt es von ihrer Rippe weg.

Ich atme tief durch.

"Amara, ich muss dir nicht sagen, dass das hier nicht passiert wäre, wenn du mir sofort Bescheid gegeben hättest, si?", mache ich sie darauf aufmerksam, dass sie in gewisser Weise selbst Schuld an ihrer Lage ist.
Sie hätte mich anrufen können, ich hätte nie auch nur einen Augenblick gezögert, ihr zu helfen.

Sie seufzt.
Mit einer geübten Bewegung schiebe ich sie seitlich von meinem Bein, sodass sie mit dem Rücken auf dem Bett liegt.
"Hältst du jetzt endlich still, damit ich das hier zu Ende bringen kann?", drohe ich ihr mit rauer Stimme, damit ich die Wunde schnell säubern und ihr ein großes Wundpflaster auf die Rippe kleben kann.

Meine rechte Hand liegt an ihrem Schlüsselbein und drückt ihren Oberkörper ins weiche Bett, damit sie sich nicht wehrt.
Mit der linken Hand tupfe ich schließlich ihre Wunde ab. Sie krallt sich in die weiße Bettdecke, kneift die Augen zusammen und schweigt.

"Schon fertig", teile ich ihr mit, als ich das Pflaster nochmal fest andrücke. Anschließend richte ich mich auf und ziehe sie mit hoch, sodass sie sich wieder gerade hinsetzen und ihren Pullover richten kann.

Während ich die Pflasterreste zusammen suche und nach dem roten Wattebausch greife, um beides im Mülleimer zu entsorgen, frage ich sie, ob sie starke Schmerzen hat.

"Hin und wieder.", antwortet sie mir leise und schaut auf ihr Spiegelbild in den glänzenden Marmorfliesen zu ihren Füßen.

"Im Nachtschrank sind Schmerztabletten, Ibuprofen."
Ich deute auf den dunklen, kleinen Holzschrank neben dem Bett, welchen sie sofort öffnet.

"Du nimmst Schlaftabletten?", runzelt sie die Stirn und zieht einen halbleeren Blister aus der Schublade.

"Du sollst dir die Schmerztabletten nehmen, der Rest geht dich nichts an.", knurre ich und komme auf sie zu. 

Anstatt auf mich zu hören holt sie die drei anderen leeren Blister heraus.
"Miguel, die sind gefährlich.", will sie mich anscheinend aufklären.

"Amara, mein ganzes Leben ist gefährlich. Da werden mich so ein paar Schlaftabletten schon nicht umbringen.", beende ich das Thema, indem ich ihr die drei leeren Blister aus der Hand nehme und im Badezimmer wegschmeiße.

"Ich muss noch arbeiten, du kannst entweder hier bleiben oder dich ins Wohnzimmer setzen.", gebe ich ihr eine Auswahlmöglichkeit und verlasse direkt im Anschluss das Zimmer.

Die Arbeit kennt schließlich keine Tageszeit.

Mi amorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt