Kapitel 27

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Miguel

21:13 Uhr

Es ist nach 21 Uhr, als ich meine Arbeit beende und das Büro verlasse. Draußen ist es noch hell, die Sonne steht jedoch tief am Horizont.
Ich gehe auf die Terrasse und zünde mir eine Zigarette an.

Amara ist nirgendwo zu sehen und eigentlich sollte mir das auch egal sein, dennoch will ich wissen wo sie ist.

Mit wem sie ist.

Was sie macht.

Ich versuche mich zu beherrschen, doch auch der Tabak der Zigarette bringt mich dieses Mal nicht runter. Schnelle drücke ich sie auf dem Steinboden aus und mache mich auf die Suche nach dem schönen Mädchen. In der Küche ist sie nicht, im Flur kann ich sie auch nirgendwo sehen.

Zügig gehe ich die Treppen hoch.

Als ich die Tür zu unserem Schlafzimmer öffne, sehe ich sie auf dem Balkon stehen. Sie lehnt am Geländer und schaut auf die unendlich weiten Felder.
Kurz überlege ich, ob ich zu ihr auf den Balkon gehen soll, aber ich werde ich jetzt sicherlich nicht hinterher rennen.

Das kann sie vergessen.

Sie hat mich abserviert, da werde ich nicht wie ein verliebter Teenager auf sie warten oder sonstiges.

Trotzdem mache ich auf mich aufmerksam, indem ich die Tür laut zu knalle. Sie zuckt kurz zusammen, dreht sich um und wartet auf meine nächste Handlung.
Sie absichtlich ignorierend gehe ich direkt ins Bad und stelle mich unter die Dusche. Mir ist bewusst, dass sie gedacht hat, dass ich mit ihr rede oder ihr hinterher laufe, aber wie gesagt, da hat sie sich geschnitten.

Schnell wasche ich mir die Haare und den Körper, da ich nicht anfangen will zu grübeln.
Über sie. Über uns.

"Verdammte Scheiße!", fluche ich und haue gegen die nassen Fliesen in der Duschen.

Als wenn sie nichts für mich empfindet?
Als wenn ich ihr egal bin?
Das kann sie mir nicht erzählen!

Zum ersten Mal bin ich mir unsicher. Unsicher wenn es um sie geht. Ich war mir so sicher, dass sie mir verfallen ist.
Und jetzt?

Jetzt will sie eine rein geschäftliche Beziehung?

Diese Frau ist mein Untergang.

Ich trockne mir leicht meine Haare ab, dann meinen Körper und wickle anschließend das schwarze, weiche Handtuch um meine Hüften und verlasse das Bad.
Anscheinend muss ich um sie kämpfen und ihr die Entscheidung schwer machen. Sie kann mir nicht widerstehen, wenn sie mich so sieht. Sie kann mich nicht abservieren, wenn ich ihr zeige, was sie abgelehnt hat.

Sie beachtet mich nicht, als auf den Balkon trete und mir eine Zigarette anzünde. Ich lehne mich mit dem Rücken gegen das Geländer, sie sitzt mittlerweile auf dem Sessel.

"Kommst du voran?", frage ich sie und puste den Rauch aus.

"Ja, habe gerade den Antrag an die Stadt geschickt.", erklärt sie mir, warum sie vor dem Laptop hängt.

"Wegen meinen Clubs?", frage ich stirnrunzelnd.

"Wegen deinen Clubs.", bestätigt sie mir. Ich bin überrascht, dass sie sich tatsächlich noch heute darum gekümmert hat.
Immerhin ist es schon nach 21 Uhr, normalerweise sitzt die da im Garten oder liegt im Bett und schaut etwas fernsehen.

Feierabend eben, oder wie man das nennt.
"Und du? Kommst du voran?", fragt sie mich und schließt den Laptop. Ich schaue der Asche nach, die auf den Steinboden des Balkons fällt.

"Ja. Carlos's Sohn wird morgen hier sein. Ich werde das klären. Und dann muss ich zu Garcia. Es geht um die Strecke, die er mir verkaufen wollte.", informiere ich sie.

"Die, die es gar nicht gibt?", fragt sie spöttisch und steht vom Sessel auf.
Ohne auf eine Antwort zu warten geht sie ins Zimmer. Ich drücke die Zigarette aus und laufe ihr hinterher.
Sie greift gerade nach ihrer Shorts und einem Shirt, das sie immer zum Schlafen anhat.

"Was ist daran so lustig.", frage ich sie leicht säuerlich.
Sie hat nun wirklich nicht das Recht sich darüber lustig zu machen und es dann auch noch so offen zu zeigen. Amara geht an mir vorbei in Richtung Badezimmer und drückt gerade die Klinke runter, als sie inne hält und sich langsam zu mir umdreht.

"Ach weißt du? Eigentlich ist alles lustig. Das ganze hier.", beginnt sie und macht einen Schritt auf mich zu.

"Du behandelst mich seit Tag 1 wie ein dummes, naives Mädchen. Bist mir gegenüber gewalttätig, aber das will ich dir jetzt nicht vorwerfen, denn das habe ich dir schon verziehen. Aber du hältst wichtige Informationen von mir fern, behandelst mich wie ein kleines Kind, das nichts von dem was du tust, wissen darf. Aber ob du es glaubst oder nicht. Ich bin erwachsen und ich weiß ganz genau was du für schlimme Dinge tust. Was dein Job ist. Ich weiß es. Also hör auf mich aus allem raus zu halten. Vor allem hör auf, Dinge von mir fernzuhalten, die mich direkt betreffen.", zischt sie wütend und lässt mich dann perplex vor dem Badezimmer stehen, in dem sie verschwindet.

Ich starre noch eine Weile auf die dunkle Holztür, ehe ich mich mich umziehe und das Zimmer verlasse.
Sie hat Recht, das weiß ich.
Aber ich stehe mir selber im Weg, weil ich es mir und ihr nicht eingestehen will. Ich will nicht, dass sie erwachsen wird. Am liebsten will ich sie aus allem raushalten. Aber das geht nicht.

Wegen mir. Weil ich es damals nicht übers Herz gebracht habe sie zu erschießen.

Hätte ich sie erschossen, dann wäre es nie so weit gekommen. Ich spiele mit der schwarzen Waffe in meiner Hand und schaue sie mir genau an. Wenn ich da jetzt hoch gehe und sie abknalle, dann wäre sie befreit. Von mir, von Carlos' Sohn. Sie wäre bei ihrer Mutter. Sie wäre erlöst.

Und ich kann mich weiter meiner Arbeit widmen und muss nicht ständig an sie denken. Muss keine Angst haben, dass ihr etwas passiert, wenn ich nicht bei ihr bin.

Mi amorWhere stories live. Discover now