Kapitel 37

12.3K 355 27
                                    

Miguel

06.38 Uhr

"Boss?"

Ein Klopfen an der Tür weckt mich.
Ich schrecke hoch und sehe Theo im Türrahmen stehen.

Schnell richte ich mich auf.
"Wie viel Uhr ist es?", frage ich ihn und räuspere mich danach, weil meine Stimme kratzt.

"6.38 Uhr."
Theo tritt ins Zimmer und reicht mir meine Tasche und meine Waffe. Dann fällt sein Blick auf Amara, die so hilflos in diesem Bett liegt.

"Sie ist nicht mehr ganz so blass, wie vor ein paar Stunden noch.", erkläre ich ihm, weil ich das Gefühl habe, als müsste ich ihm eine Erklärung geben.

Nebenbei schütte ich mir ein Glas Wasser ein.

Theos Blick liegt noch immer auf Amara. Ihr Brustkorb hebt und senkt sich regelmäßig und ihre Hand ist endlich wieder warm.

"Möchten Sie nach Hause fahren und sich duschen?", fragt er mich und sieht mich eine Spur zu mitleidig an.

Ich lehne ab und versuche trotzdem zu lächeln, doch es gelingt mir nicht. Ich bin zu erschöpft, um Emotionen zu zeigen. Das einzige was ich mir wünsche, ist, dass Amara aufwacht und wir nach Hause gehen können.

"Theo.", halte ich ihn auf, bevor er das Zimmer verlässt.
"Mein Laptop liegt im Büro. Ich brauche den, gibst du Xavier Bescheid?"

Er bleibt in der Tür stehen und schaut zu Boden.
"Sie wollen jetzt wirklich arbeiten?"

"Ja. Ich muss herauskriegen welches Schwein meiner Frau das angetan hat.", brumme ich wütend und muss aufpassen, dass ich nicht gegen irgendwas schlage.
"Pedro soll nach Culiacan kommen. Sofort. Er soll die Kugel suchen, sie muss irgendwo an der Hauswand stecken.", fordere ich ihn auf, das für mich zu klären.

"Mache ich."
Er winkt mir kurz zum Abschied, dann verschwindet er auf dem kahlen, weißen Flur der Station. Ich stehe auf und ziehe den Vorhang an die Seite und öffne ein Fenster. Draußen ist es immer noch warm und die brennende Sonne scheint auf Culiacan herab. Ich schiebe die Ärmel meines Pullovers hoch und betrachte mich im Spiegel.
Meine Haar liegen kreuz und quer auf meinem Kopf, der leichte Bart lässt mich in Kombination mit den geschwollenen Augen alt aussehen.
Wenn ich nicht wüsste, dass ich 31 bin, würde ich denken, dass ich mindestens 20 Jahre älter bin.

In der Hoffnung, dass ich danach frischer aussehe, gehe ich ins Bad und wasche mein Gesicht mit eiskaltem Wasser.

Fehlanzeige.

Mürrisch greife ich nach dem weißen Handtuch um mein Gesicht und meine Hände abzutrocken.

"Señor Jimenez?"
Eine dunkelhaarige, kleine Frau spricht mich an und hält mir ein Tablett vor die Nase.

"Möchten Sie auch frühstücken?", fragt sie mich schüchtern.

Ich greife unbeeindruckt nach dem grauen Plastiktablett und betrachte das Essen.
Davon soll man satt werden?
Wofür bezahle ich das Krankenhaus? Wohl etwa nicht für trockenes Graubrot, eine Scheibe Käse und etwas Naturjoghurt.

"Hier, die Zeitung."
Sie zieht die bedruckte Papierrolle hinter ihrem Rücken hervor und präsentiert sie mir wie eine Goldmedaille. Ich schaue sie einen Moment an, weil ich nicht begreifen kann, wie sie so glücklich hier vor mir steht.

Dann nehme ich ihr emotionslos die Zeitung ab und setze mich wieder in den Stuhl. Das eklige Essen stelle ich auf einem kleinen Tisch ab.

"Gibt es keinen Kaffee?", frage ich sie, als ich die Tasse nicht finden kann.

"Oh, natürlich. Einen Moment.", kichert sie und verlässt dann schnell das Zimmer.

Ich seufze und schlage die Zeitung auf. Hoffentlich kommt Xavier bald, sodass ich duschen kann.

"Hier, bitte schön."
Die Schwester bringt mir endlich meinen Kaffee, den ich ohne sie anzuschauen, entgegen nehme. Ich weiß, dass sie mit mir flirtet und ich finde es eine Unverschämtheit.
Während ich neben meiner schwerverletzten Frau sitze und darauf warte, dass sie aufwacht, nutzt sie die Gelegenheit aus, um mich anzubaggern.

Sie bleibt noch eine Weile im Raum stehen und schaut Amara an.
"Eine schöne Freundin haben sie."
Sie richtet Amaras Decke und kontrolliert den Tropf mit den Schmerzmitteln.

"Frau.", gebe ich monoton von mir.

"Wie bitte?"

"Sie ist meine Frau.", wiederhole ich mich und deute auf den Ring an meinem Finger.
Dass er ein Zeichen für mein Kartell ist und nicht mein Ehering, ist jetzt völlig egal.

"Oh. Okay."
Sie errötet leicht und lässt mich dann alleine.
Angeekelt nehme einen Schluck von der braunen Plörre, die sie mir gebracht hat. Ich verziehe das Gesicht, weil dieser "Kaffee" nur lauwarm ist und nach Wasser schmeckt.

Dann widme ich mich meiner Zeitung.

Mi amorWhere stories live. Discover now