Kapitel 45

12.7K 357 22
                                    


Miguel

"Ich will dir helfen. Ich will nicht mehr wie das kleine Mädchen behandelt werden, sondern ich will dir helfen und endlich in dein Geschäft mit einsteigen.", spricht sie nach einiger Zeit und verschränkt mürrisch die Arme.

"Nein.", lehne ich belustigt ab.
Sie soll sich ausruhen. Sie wird jetzt sicherlich nicht an dieser Sache mit uns arbeiten.

"Doch. Es geht hier um mich und ich will da mit machen. Ich werde euch helfen und nebenbei kümmere ich mich um deine Clubs.", erwidert sie launisch, während sie sich nebenbei aufrichtet.

"Ama-"

"Ich werde hier nicht einfach nur rumsitzen und zusehen, wie ihr alles hinter meinem Rücken klärt!", unterbricht sie mich fauchend.

Überrascht schaue ich von meinem Handy hoch.

"Mutig.", spreche ich emotionslos.
Sie starrt mir trotzig in die Augen, während ich ihr Gesicht mustere. Normalerweise hätte sie das Blickduell schon längst abgebrochen, doch heute nicht.

"Sonst noch was?", frage ich sie spöttisch ohne die Miene zu verziehen.

"Sei netter zu deinen Angestellten.", verlangt sie.

"Ich bin so nett, wie sie es verdient haben.", rechtfertige ich mich, obwohl ich das nicht musst. Ich behandle meine Angestellten so, wie ich es will. Außerdem arbeiten sie für ein verdammtes Kartell, was für eine Behandlung erwarten sie da?
Alle wissen auf was sie sich einlassen.

"Dann werde ich nicht die ganze Zeit hier in diesem Haus hocken.", erpresst sie mich.

Ich beiße die Zähne aufeinander.
"Ich probiere es.", gebe ich nach.

Zufrieden legt sie sich zurück aufs Bett und richtet ihr Kopfkissen.

Mir war bewusst, dass sie älter und reifer geworden ist, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie den Mordversuch auf sich selber so schnell verkraften würden.
Oder spielt sie das nur?

Unzufrieden gehe ich ins Bad und stelle mich vor den Spiegel. Ich muss mich dringend rasieren. Außerdem nerven mich die Verspannungen in meinem Nacken bis ins Unendliche.

20:34 Uhr

Frisch rasiert trete ich aus dem Bad um festzustellen, dass Amara nicht wie erwartet im Zimmer ist.
Irritiert greife ich nach meinen Sachen, werfe sie mir über und gehe dann nach unten um sie zu suchen.

Ich traue meinen Augen kaum, als ich sie mit Paulo am Esstisch sitzen sehe.

Sie lachen.
Beide.

Ich knacke meine Finger, um auf mich aufmerksam zu machen. Kurz hebt sie den Blick, dann schaut sie wieder auf ihren Laptop.
Mein Cousin hebt kurz zur Begrüßung die rechte Hand, dann schreibt er etwas in einen weißen Block.

"Was macht ihr?", frage ich skeptisch und schütte mir Whiskey in mein Glas.
Die kalte Flüssigkeit kühlt meinen kratzigen Hals, doch sie entspannt mich diesmal nicht.
Es gefällt mir nicht die beiden dort so sitzen zu sehen.

"Wir gehen Carlos' Handlanger durch, die zum Zeitpunkt des Mordversuchs hier in der nähe waren beziehungsweise in der Stadt.", erklärt mir Paulo.

"Aha. Und ihr meint das bringt was?", runzle ich die Stirn.
Es könnte jeder gewesen sein. Carlos' Sohn hätte theoretisch auch einen fremden Mann bezahlen können, der rein gar nichts mit dem Kartell zu tun hat.

"Ja. Piro Vallez ist immer genau dort gewesen, wo wir auch waren. In Guyama zum Beispiel. Ein Tag vor dem Schuss haben ihn deine Leute vor dem Anwesen gesehen und ihn weggescheucht. Er wird es gewesen sein, ziemlich sicher.", informiert mich Amara ohne mir einen Blick zu schenken.

Ich lasse mich auf den Stuhl direkt gegenüber von Amara fallen und schaue mir Paulo's Mitschriften genau an.

"Ich habe noch nie den Namen Piro Vallez gehört. Dieser Mann existiert nicht.", dämpfe ich ihre Hoffnung.
Sie reißt mir den Block aus der Hand und schaut mich zornig an.

"Dann kannst du ja in andere Richtungen ermitteln, anstatt unsere Vorgehensweise zu kritisieren und dabei genüsslich Whiskey zu trinken.", zischt sie mir entgegen und tippt dann wieder auf ihrem Laptop herum.

"Sag das nochmal.", keife ich, da ich glaube mich verhört zu haben.

Sie ignoriert meine Warnung und antwortet mir nicht.
Nach einer Weile lehne ich mich wieder zurück und exe das Glas. Führt sie sich jetzt so auf, weil sie weiß, dass ich ihr und ihrem Vater nie etwas tun würde?
Vermutlich.

Oder weil sie sich vor meinem Cousin als stark behaupten will?

"Wann ist dein Staatsexamen?", fragt Paulo und durchbricht die hitzige Stimmung. Ich hole eine Zigarette aus meiner Hosentasche und zünde sie mir an. Dann stehe ich auf und öffne die Türen, damit der Rauch entfliehen kann.

"In 6 Tagen.", antwortet sie leicht lächelnd.

Warum lächelt sie ihn so an?
Warum lächelt sie mich nicht so an?
Ich atme den Rauch tief ein und halte ihn einen Augenblick in meinen Lungen, ehe ich ihn wieder auspuste.

In ihre Richtung.

Ich warte darauf, dass sie etwas sagt, weil es sie normalerweise stört, aber sie ignoriert mich wirklich komplett.

"Fliegst du alleine?", beginnt Paulo eine Konversation, die ich sofort unterbreche.

"Sie fliegt mit mir.", gebe ich stumpf von mir.
Er soll sich bloß nicht einbilden, dass er mit ihr nach Los Angeles zurück fliegen kann. Er kann sie doch gar nicht beschützen.
Das kann nur ich.

Beide Augenpaare liegen auf mir. Unbeeindruckt puste ich den Rauch aus und schaue genauso dumm zurück.
Was glotzen die jetzt so?

"Was?", beuge ich mich vor und schaue Amara an. Schnell wendet sie ihren Kopf ab und schaut auf den Laptop.
Doch nicht mehr so mutig?

Interessant.

Schmunzelnd drücke ich die Zigarette aus und lehne mich mit verschränkten Armen zurück.

Paulo schaut ebenfalls wieder auf sein dummes Blatt.

"Ich kann mich ja mal schlau machen, wer dieses Piro Vallez sein soll.", gebe ich mich heute zum zweiten Mal geschlagen.

Wie einige von euch vielleicht merken werden, hat sich hier einiges verändert... 😊

Mi amorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt