Kapitel 40

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Miguel
14:51 Uhr

Amara und ich reden über alles mögliche, während sie die Blutinfusion bekommt. Sie hat sich gut erholt, schneller, als erwartet.
Gegessen hat sie heute auch schon.

Gerade spielen wir Karten, als es an der Tür klopft.

"Ja?", frage ich und lege mein Kartendeck falsch herum auf den Tisch. Nicht, das Amara noch schummelt.

"Miguel, mein Sohn."
Mein Vater betritt das Zimmer. Er trägt einen schwarzen Anzug, das Jackett liegt über seinem rechten Arm.

Langsam stehe ich auf und will auf ihn zu gehen, doch meine Beine bewegen sich nicht. Es ist ungewohnt ihn hier zu sehen und vor allem, dass ich ihn herbestellt habe.

"Papá.", begrüße ich ihn distanziert.
Er lächelt mir kurz gezwungen zu und versucht dann einen Blick auf Amara zu erhaschen.

"Das ist Amara, meine Frau.", flüstere ich ihm zu und nehme sein Jackett ab, nachdem er ein paar Schritte auf uns zugemacht hat.
Amara schaut erst unsicher zwischen uns her, dann versucht sie sich aufzurichten.

"Bleib ruhig liegen, Kleines."
Mein Vater lächelt sie warm an, dann setzt er sich auf den Stuhl, den ich ihm hingestellt habe.

"Ich bin Andrés, der Vater von Miguel.", stellt er sich vor und streicht ihr über die zarte Hand.

"Ich bin Amara."
Ihre Stimme ist heiser und man merkt ihr an, dass die sich das erste Treffen mit meinem Vater anders vorgestellt hat.
Es scheint ihr unangenehm zu sein, hier so zu liegen und meinen Vater kennenzulernen. Ich gebe zu, dass es einen besseren Zeitpunkt gegeben hätte, als diesen hier, aber ich muss meinem Vater alles erklären und will Amara ungerne aus den Augen lassen.

"Mein Vater wird mir helfen, den Schützen zu finden.", erkläre ich.

Vorsichtig nickt sie.
Ich reiche ihr ein Glas Wasser, das sie zufrieden annimmt, dann warte ich bis sie fertig ist, bevor ich ihr einige Fragen stelle.

"Du hast den Täter nicht sehen können, oder?"

"Nein. Es war dunkel und ich hatte mich nichtmal richtig hingestellt, da wurde ich schon getroffen."
Ihre Stimme zittert leicht und ich traue mich nicht sie anzuschauen. Ich habe da keinen Nerv für. Ich will sie nicht leiden sehen.

Lachen soll sie, mich ärgern soll sie.

"Ich habe Carlos umgebracht. Er hat Dinge getan, die ich ihm nicht durchgehen lassen konnte, da habe ich ihn abgeknallt. Ich konnte seinen Sohn einige Zeit hinhalten, doch vor 3 Tagen hat er es herausgefunden. Das Grab von Amara's Mutter wurde geschändet. Ich hielt es für einen dummen Streich, das passiert ja hin und wieder. Wie dem auch sei, ich denke, dass es Carlos' Sohn war, der Amara töten wollte. Zumindest hat er den Auftrage erteilt.", beende ich meine Rede und schaue zu meinem Vater.

Er nickt.
"Du hast nicht gut genug aufgepasst, mein Junge."

Ich fahre mir durchs Gesicht und atme tief durch.

"Es ist schon in Ordnung.", meldet sich Amara zu Wort.
Sie will mich schützen, die Stimmung aufheitern, aber das ist jetzt der falsche Zeitpunkt. Ich habe nicht gut genug auf meine Frau aufpassen können, weil ich mich von Emotionen haben leiten lassen.
Weil ich mich mal wieder nicht unter Kontrolle hatte.

"Nichts ist in Ordnung, Kleines. Ich habe meinem Sohn immer wieder klar gemacht, dass dieses Geschäft lebensgefährlich ist. Nicht in erster Linie für ihn, sondern für seine Familie.", antwortet mein Vater.
Und auch, wenn er mir gerade die Schuld gibt und mich kritisiert, hat er recht. Er hat sowas von Recht.

"Er liebt mich nicht.", flüstert Amara.
"Wir sind nicht zusammen.", erklärt sie unsere Situation.
Es verletzt mich, dass sie sowas sagt, aber im Endeffekt ist es die Wahrheit. Sie hat Schluss gemacht und es war das einzig richtige, was sie hätte tun können.

"Kommst du bitte einmal."
Mein Vater hat sich erhoben und zeigt auf die Tür.

"Bin gleich wieder da.", spreche ich zu Amara, die ihr Gesicht von mir weggedreht hat.

Ich erkenne die Tränen, die sich in ihren wunderschönen Augen gebildet haben und es bricht mir das Herz.
Sie liegt dort wegen mir. Ich habe ihr versprochen, dass ich sie besser behandle, stattdessen sorge ich dafür, dass sie fast erschossen wird.

Stumm folge ich meinem Vater in den Flur und lehne die Tür zu Amara's Zimmer leicht an.

"Was hast du gemacht?", fragt mich mein Vater.
Er klingt sauer.

"Sie hat mich provoziert. Da habe ich ihr gedroht, ihren Vater umlegen zu lassen.", seufze ich und merke wie bescheuert sich das anhört.

"Habe ich dich so erzogen?! Ich glaube kaum. Du hast Glück, dass sie bei dir bleiben muss, wenn sie weiter leben will, aber das gibt dir nicht das Recht so dreckig mit einem so wunderbaren Mädchen umzugehen. Du hast sie damals mitten aus ihrem Leben gerissen, dann mach es ihr doch wenigstens so angenehm wie möglich!", zischt er wütend und gestikuliert wild mit seinen Händen.

"Woher weißt du das?", will ich wissen und ziehe die Augenbrauen zusammen.

"Das du sie entführt hast?", fragt er mit hochgezogenen Augenbrauen.

Ich nicke.

"Paulo.", erklärt er mir kurz.
"Ich hole mir einen Kaffee und dann soll Pedro mich abholen. Ich schaue, was ich tun kann."

Ich sehe ihm nach, wie er den hellen Flur entlang geht. Kurz bevor ich wieder ins Zimmer gehen will, dreht er sich um.

"Sieh zu, dass du das wieder gerade biegst.", ruft er mir zu.
Ich schlucke, dann wende ich mich ab.
Mir ist klar, dass ich das wieder hinkriegen muss. Aber wie? Eine einfache Entschuldigung wird hier nicht reichen. Sie wird früher oder später ganz von alleine merken und einsehen, dass es meine Schuld ist.

"Was machst du?", frage ich schnell, als ich Amara auf der Bettkante sitzen sehe.
Ich habe freie Sicht auf ihren nackten Rücken, der durch das OP Hemd frei liegt.
Schnell gehe ums Bett herum und stelle mich vor sie.

"Ich wollte duschen.", gibt sie erschöpft von sich.
Ich greife ihr unter die Arme und ziehe sie auf die Beine. Das schwache Mädchen hat Schwierigkeiten das Gleichgewicht zu halten, deshalb warte ich kurz, bis ich sie ins Bad führe.

"Bist du sicher? Du solltest dich noch ausruhen, mi amor.", will ich sie umstimmen.
Sie kann nicht alleine in der Dusche stehen. Sie kann noch nichtmal gerade stehen, wenn sie sich am Waschbecken festhalten würde.

"Aber das Blut.", schluchzt sie.

Ich nehme sie in den Arm.

"Ist schon gut. Soll ich es dir wegmachen?", frage ich sie zögernd, weil ich nicht weiß, ob sie möchte, dass ich mich darum kümmere.
Immerhin ist es meine Schuld.

"Ich- Ich will duschen.", weint sie und greift sich in die Haarlängen.
Sie zeigt mir das getrocknete Blut auf ihren blonden Haaren. Ich verstehe, was sie meint. Es ist erdrückend. Zum ersten Mal hatte ich auch dieses Gefühl, als ihr Blut an meinen Händen geklebt hat. Meine Hände waren sauber, dennoch blieb das Gefühl.

"Es soll weg.", weint sie in meinen Armen.

"Ich weiß, ich weiß. Beruhig dich.", flüstere ich ihr zu.

Ich wünsche euch einen schönen 3. Advent 🥰

Mi amorWhere stories live. Discover now