Kapitel 65

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Miguel
08:41 Uhr

"Miguel, wach auf!", weckt mich Amara unsanft und springt aus dem Bett. Reflexartig greife ich nach der schwarzen Waffe auf dem Nachttisch und stehe schnell auf.

"Wow Miguel, beruhig dich.", hebt sie die Hände und grinst belustigt.

Ich senke die Waffe und schaue sie irritiert an.

"Hier ist doch niemand. Lass uns zum Strand.", spricht sie und nimmt langsam die Hände runter. Ich schließe genervt die Augen, dann lege ich die Waffe zurück.

"Weck mich nie wieder so. Ich dachte jemand wäre eingebrochen.", zische ich und lasse mich aufs Bett fallen.

Sie gluckst nur belustigt und verschwindet dann im Bad.

Sie und dieser blöde Strand.
Was findet sie so toll daran.
Muss sie nicht sowieso eigentlich lernen?

"Musst du nicht noch was lernen? Für Morgen?", hake ich nach und hoffe inständig, dass sie bejaht und wir hier bleiben müssen.

"Ja, aber das kann ich auch am Strand machen.", zuckt sie mit den Schultern, nachdem sie sich zähneputzend in mein Blickfeld gestellt hat.
Ich verschränke die Arme hinter dem Kopf und starre an die Decke.

"Ich muss auch arbeiten und das kann ich nicht am Strand.", mache ich ihr klar, dass die Idee einfach scheiße ist.
Man schwitzt, der Sand klebt überall und das Salzwasser juckt. Außerdem lassen die großen Tanker ihr ganzes Abwasser ins Meer.
Wie kann sie freiwillig in so einer Brühe schwimmen wollen?

Nicht zu vergessen die nervigen Kinder, die ohne Pause schreien und quieken, weil sie ja so viel Spaß haben.

"Du siehst deinem Alter entsprechend noch echt jung aus."

Soll das ein Kompliment sein?

Vorsichtig richte ich mich auf.

"Echt?", frage ich skeptisch nach.
Sehe ich wirklich so jung aus?

"Nein. Du verhältst dich nämlich, als seist du schon 60, aussehen tust du aber immer noch wie 30.", brummt sie und verschwindet wieder im Bad.

Wie bitte?
Ich verhalte mich wie 60?

"Was?", fauche ich ärgerlich und stoße die Tür zum Badezimmer auf.
Sie geht einen Meter zurück, vergrößert den Abstand zwischen uns und sieht mich mit großen Augen an.

"Ich verhalte mich nicht wie ein 60-jähriger!", verteidige ich mich.
Nur weil ich nicht schwimmen will, heißt es nicht, dass ich kurz vor der Rente stehe!

"Manchmal.", zuckt sie vorsichtig mit den Schulter und spült ihren Mund aus.
Als sie mir den Rücken zu dreht, trete ich dicht an sie heran.

"Nimm das zurück.", zische ich ihr ins Ohr und stütze meine Hände neben ihrem Becken am Waschbecken ab.

"Wenn du mit mir schwimmen gehst?", will sie anscheinend einen Kompromiss, während sie mich durch den Spiegel anschaut.

Ich schnaube.

"Einen Scheiß werde ich. Du nimmst das jetzt sofort zurück.", fordere ich sie auf.
Langsam macht sie mich wütend, auch wenn es wahrscheinlich nur ein Spaß von ihr ist.

"Dann geh mit mir schwimmen. Und du solltest aufhören zu rauchen. Du kriegst da schon ein paar Falten.", schmunzelt sie mich provokant an und fährt über meinen rechten Augenwinkel, nachdem sie sich umgedreht hat.

Obwohl ich das Gefühl ihrer Finger auf meiner Haut liebe, ziehe ich aus Protest mein Gesicht zur Seite und baue mich weiter vor ihr auf.

"Hör jetzt auf.", will ich, dass sie das endlich zurück nimmt.

"Geh mit mir schwimmen.", flötet sie grinsend und quetscht sich dann unter meinen Armen durch, um das Badezimmer zu verlassen.

Ich schaue mich einen Moment im Spiegel an, ehe ich ihr hinterher gehe.

"Okay. Wir gehen schwimmen.", gebe ich doch tatsächlich nach.
Dann arbeite ich eben auch am Strand.

Was solls.

Solange sie glücklich ist.

"Danke.", lächelt sie zufrieden.
Ich schaue sie abwartend an.
Sie hat noch was vergessen.

"Du verhältst dich nicht wie ein 60-Jähriger. Eher wie ein 59- jähriger.", lacht sie und schnappt sich ein Glas Wasser.

"Amara!", rufe ich empört und versuche sie einzuholen.
Die kann was erleben.

15:16 Uhr

"Ich bin fertig. Gehen wir ins Wasser?"
Amara hat ihr Gesetzbuch zugeschlagen und es in der Tasche verstaut.

Es ist bereits kurz nach 3 Uhr Nachmittags.

Haben wir so lange gearbeitet?

Ich schließe meinen Laptop, verstecke ihn in ebenfalls in der Tasche und stehe ohne etwas zu sagen auf.

"Du bist beleidigt.", kichert sie, als wir aufs Wasser zu gehen.

"Los, geh ins Wasser. Ich pass auf.", deute ich auf das kühle Nass 2 Meter vor uns. Sie bleibt stehen und stellt sich direkt vor mir.

"Willst du nicht mitkommen? Du hast die ganze Zeit gearbeitet. Das kalte Wasser wird dir gut tun.", fragt sie mich ehrlich.
Sie hat sich leicht auf die Zehenspitzen gestellt und ihre Hände auf meine Brust gelegt.

Sie versucht in mein Gesicht zu blicken, doch ich schaue über sie hinweg. Wenn ich sie angucke, dann gebe ich wieder nach.
Sie darf mir auf keinen Fall mehr auf der Nase rumtanzen.

"Du sollst ins Wasser gehen.", spreche ich und schaue in die Ferne.

"Miguel, sei doch nicht so. Das steht dir nicht.", verdreht sie die Augen.

"Was steht mir nicht?", frage ich teilnahmslos und schaue sie endlich an.
Der dunkelblaue Bikini schmiegt sich perfekt an ihren Körper.

"Beleidigt sein.", zuckt sie mit den Schultern und greift nach meiner Hand.
Dann zieht sie mich ins Wasser.
Wieder gebe ich nach.

Mir entgehen die Blicke der anderen Männer nicht und sie machen mich wütend.

Haben die nichts anderes anzugucken, als meine Frau?

"Schau mal."
Amara hält mir eine schneeweiße Muschel vors Gesicht.

"Schön.", brumme ich und versuche die anderen Typen auszublenden.
Amara steckt mir die Muschel die Hosentasche meiner Badeshorts und bückt sich nach weiteren. Schnell ziehe ich sie hoch und greife unter ihr Kinn.

Mit klaren, leuchtenden Augen schaut sie mich an.

"Glaubst du ich merke nicht, was du hier vor hast?", zische ich leise, sodass nur sie mich hören kann.

"Wie bitte?", fragt sie heiser und legt ihre kleine Hand an mein Handgelenk.

"Mir ist seit fast 5 Jahren klar, dass ich nicht der Einzige bin, der dich verdammt attraktiv findet, also hör auf mir das hier unter die Nase zu reiben. Ginge es nach mir, dann wärst du schon längst meine Frau, verstehst du?", mache ich ihr klar, dass sie sich nicht präsentieren braucht, um mir eins auszuwischen.

"Du musst mir hier nicht zeigen, was ich für ein tolles Mädchen verloren haben, okay?", füge ich hinzu.
Dann lasse ich ihr Kinn los und gehe aus dem Wasser.

Ich weiß, dass ich sie schlecht behandelt habe. Und, dass es ihr gutes Recht war unsere Beziehung zu beenden.

Aber sie muss es mir nicht so unter die Nase reiben.

Das habe nichtmal ich verdient.

Mi amorWhere stories live. Discover now