Kapitel 49

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Miguel
15:03 Uhr

"Miguel?"
Es ist mittlerweile 15 Uhr.
Amara steht im Türrahmen und sieht mich fragend an. Ich stehe vom Stuhl auf, öffne eine Tür und winke sie zu mir heran. Dann zünde ich mir eine Zigarette an.

"Dein Vater ist hier.", informiert sie mich und stellt sich neben mich. Ich betrachte Amara.
Sie sieht schon viel besser aus, als gestern Abend. Ihre Hautfarbe sieht gesund aus, die tiefen Augenringe sind verschwunden.

"Und?", ärgere ich sie absichtlich. Sie will mir damit sagen, dass ich kommen soll, aber so einfach mache ich es ihr nicht. Ich verschränke die Arme vor dem Oberkörper und schaue sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.

Sie verdreht die Augen und haut mir gegen den Arm.

"Komm jetzt mit."
Sie nickt in Richtung Tür und muss sich ein Schmunzeln verkneifen. Auch ich muss kurz Grinsen, dann fällt mein Blick auf die Tür. Mein Vater steht im Türrahmen und beobachtet uns beide mit Adleraugen.

Ich räuspere mich.

"Vater.", begrüße ich ihn und gehe auf ihn zu.
Ich deute auf den Sessel, als Aufforderung, dass er sich dort hinsetzen soll.

"Du hast was herausgefunden?", frage ich ihn distanziert und schließe die Tür hinter ihm. Amara schicke ich nicht heraus, sie will ja schließlich dabei sein.
Als sie sich hinter den Schreibtisch setzt, halte ich in meiner Bewegung inne.

Ist sie jetzt hier der Chef?

Ich glaube kaum.

Sie bemerkt meinen irritierten Blick zwar, lächelt mir jedoch nur kurz zu und begrüßt dann meinen Vater.

Da mir nichts anderes übrig bleibt, lehne ich mich gegen das Bücherregal und schaue von dort aus zu.

"Piro Vallez heißt in Wahrheit Jasper Ramirez.", beginnt mein Vater und lässt mir das Blut in den Adern gefrieren.
Ich sehe Amaras schockierten Blick im Augenwinkel, gehe jedoch nicht weiter drauf ein.

"Kennt ihr ihn? Ihr seht beide so schockiert aus.", runzelt mein Vater die Stirn und schaut irritiert zwischen uns her.
Amara lässt sich gegen die Stuhllehne fallen und fährt sich durchs Gesicht.

Mir hingegen fehlen die Worte.

"Er ist mein Bruder.", fängt sich Amara als Erste und schaut zu meiner Vater rauf. Ich sehe das Fragezeichen in seinem Gesicht, ehe er sich räuspert und sich über den grauen Bart fährt.

"Dein Bruder?"

"Carlos' hatte mir erzählt, dass er tot sei. Wir hatten den Verdacht gestern schon, aber ich konnte es mir nicht vorstellen. Sie ist seine Schwester, warum sollte er sie umbringen wollen?", frage ich verständnislos und fahre mir durch den Nacken. Dann vergrabe ich meine Hände tief in der Anzughose und laufe nervös umher.

"Warum hattet ihr keinen Kontakt mehr?", hakt mein Vater vorsichtig nach.

"Ich-"

"Miguel hat meine Mutter umbringen lassen.", unterbricht mich Amara und starrt auf den Tisch.

"Mein Bruder war zu dem Zeitpunkt 12 Jahre alt. Miguel hat mich mit zu sich genommen, von meinem Bruder gab es keine Spur, er war einfach weg. Ich bin auch davon ausgegangen, dass er tot sei.", erklärt sie weiter.

"Wir hatten 4 Jahre keinen Kontakt. Ich hatte ihr die Schule und die Universität bezahlt, mehr nicht. Da hätte er sich bei ihr melden können. Hat er aber nicht. Das hat meine Vermutung, dass er wirklich tot ist, nur bestätigt.", führe ich die Erzählung fort.

Mein Blick liegt auf Amara, die mit dem Daumennagel die Beschichtung vom Tisch kratzt.

Ich greife nach ihrer Hand, um sie zu stoppen.

Ja, ich bin auch sauer und fassungslos, dennoch muss sie nicht meinen Tisch zerkratzen.
Schnell entzieht sie ihre Hand aus meiner und legt sie zu der anderen in ihren Schoß.
Mein Vater seufzt angespannt und drückt sich vom Sessel hoch.

"Gut, ich sehe, was ich machen kann. Ihr versucht Carlos' Sohn zu erreichen. Der soll hier hin kommen.", nennt er mir seinen Plan.

"Das geht nicht!", ruft Amara und springt auf.
Schnell greife ich nach ihrer Schulter um sie zurück zu halten, doch sie geht bereits um den Schreibtisch herum.

"Der will mich tot sehen. Der kann hier nicht hinkommen.", fleht sie meinen Vater an.
Er schaut sie kurz dann, dann schaut er zu mir.

"Meinst du, mein Sohn wird das zu lassen?", fragt er sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
Amara dreht ihren Kopf zu mir und schaut mich lange an.

"Ich denke, dass kannst du dir selbst beantworten."
Mit diesen Worten verlässt er das Büro.

Die Tür fällt leise ins Schloss, dann sind Amara und ich alleine.

"Keine Angst, wir kriegen das hin. Hilfst du mir, deinen Bruder zu finden?", frage ich sie und ziehe meinen Stuhl zurück.
Sie nickt zaghaft, dann kommt sie auf mich zu. Ich setze mich auf den Bürostuhl und klopfe auf meinen Schoß.

Ein Versuch ist es wert.

Tatsächlich setzt sie sich auf meine Oberschenkel.

Dann beuge ich mich mit ihr leicht vor und schiebe ihr einen Stift und einen Zettel vor die Nase. Sie soll mir die Lieblingsorte ihren Bruders aufschreiben. Alles was sie noch über ihn weiß, muss sie aufschreiben. Nur so kriegen wir heraus, wo er sich aufhält und zu finden ist.

Mi amorWhere stories live. Discover now