Kapitel 59

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Amara
12:56

"Señora Jimenez?"
Ich spüre eine warme Hand an meinem Oberarm.

"Señora, ihr Mann wartet schon im Auto. Sie müssen los.", wiederholt sich die weibliche Stimme. Langsam richte ich mich auf und schaue in ein freundliches Gesicht.

Die Haushälterin lächelt mich freundlich an, dann geht sie aus dem Zimmer.

Die Mittagssonne scheint ins Zimmer und lässt mich einige Male blinzeln. Anscheinend bin ich wirklich noch mal eingeschlafen. Schnell stehe ich aus dem Bett auf, greife nach meinem Handy und richte meine Haare.

Dann gehe ich nach unten zu Miguel.

Eigentlich möchte ich mich noch von meinem Bruder verabschieden, doch ich kann ihn nirgendwo find-

"Kommst du endlich? Ich hab vorher noch was zu erledigen.", hetzt mich Miguel, der perfekt gekleidet im breiten Flur steht.
Er trägt einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd, das Jackett liegt über seinem Arm.

Ohne ihm zu Antworten werfe ich einen letzten ins Wohnzimmer und gehe dann mit ihm nach draußen zum Auto.
Er wirft das Jackett auf die Rückbank, dann setzt er sich zu mir nach vorne und startet schweigend den Wagen.

"Was musst du denn noch erledigen?", frage ich neugierig, weil die Stille zwischen uns mich langsam aufregt.
Er verhält sich wie ein 12 Jähriges Mädchen.

"Geht dich nichts an.", murmelt er und rast mit dem breiten Auto über den Schotterweg.

Ich rutsche tiefer in den Sitz, verschränkte die Arme und schaue nach draußen auf die Felder, über denen sich die Hitze staut. Wenn er nicht mit mir reden will, dann kann ich auch einfach weiter schlafen.

Aber wieso redet er nicht mehr mit mir? Und warum habe ich das Gefühl, als würde er mir aus dem Weg gehen?

13:27 Uhr

Ich warte seit 10 Minuten vor einem sandfarbenen Haus.
Es ist groß, aber nicht so groß wie Miguels Anwesen.

Miguel hatte sich stumm seine Waffe aus dem Handschuhfach geholt und ist dann zielstrebig, mit einer Zigarette zwischen den linken Fingern, aufs Haus zu.

Bleib im Auto, hatte er gesagt.

Schön.
Jetzt sitze ich hier und gucke dumm in der Gegend rum.

Als Miguel nach einer Ewigkeit endlich wieder aus dem Haus kommt, traue ich meinen Augen kaum.

"Was hast du gemacht? Bist du verletzt?", frage ich atemlos, als ich hastig aus dem Auto aussteige und ihm entgegen eile. Sein weißes Hemd ist voll mit dunkelrotem Blut, an seinen Händen klebt die rote Flüssigkeit.

"Geh ins Auto.", herrscht er mich unsanft an und wimmelt mich damit ab.
Er geht an mir vorbei, reißt die Autotür auf und lässt sich quälend auf den heißen Ledersitz fallen.
Dann schaut er mich warnend an und deutet mit dem rechten Daumen neben sich auf den freien Beifahrersitz.

"Du solltest im Auto bleiben!", wirft er mir vor und startet den Wagen, nachdem ich mich wieder ins Auto gesetzt habe.

"Du blutest!", erkläre ich, warum ich ihm entgegen gekommen bin.

"Das ist nicht meins.", winkt er ab und fährt rasend schnell vom Grundstück.

"Du hast jemanden umgebracht.", stelle ich fest und schaue dabei seine aufgeplatzte Lippe an.

"Garcia musste noch erledigt werden, nachdem ich seine Frau abgeknallt hatte. Da dein lieber Bruder dich ja fast umgelegt hat, kam ich in den letzten Tagen nicht dazu.", erzählt er mir nun endlich etwas mehr und lässt mich nicht mehr im Dunkeln tappen.

"Aha.", gebe ich gekränkt von mir.
Ich weiß ja, was er tut, aber es so deutlich zu hören, macht mich traurig.
Dieser Mann hatte Familie, Eltern, Freunde. Und Miguel löscht ihn einfach so aus, als wäre nichts dabei.
Als hätte er nicht mal existiert.

"Hat er sich gewehrt?", frage ich ihn und deute auf seine Lippe.
Schnell wischt er das getrocknete Blut ab und schaut mich danach kurz an, ehe sein Blick wieder auf dem kochendheißen Asphalt vor uns liegt.

"Ein bisschen.", gibt er letztendlich zu.
Dann sage ich nichts mehr.
Ich könnte versuchen ihn zu belehren, aber das ist sein Job. Immerhin bin ich ja nicht in seine dreckigen Geschäfte involviert.
Ich bin also völlig unschuldig.

"Bist du aufgeregt?", fragt er mich nach einer Weile. Sein linker Ellenbogen lehnt an der Tür, mit der rechten Hand steuert er entspannt das Auto.

"Irgendwie noch nicht, vielleicht kommt das noch.", zucke ich mit den Schultern.
Seitdem ich bei Miguel bin, verspüre ich kaum noch Nervosität. Ich bin einfach abgehärtet. Ich habe so viele Dinge, auch schlimme Dinge mit und bei ihm erlebt, dass mich nichts mehr schocken kann.

"Du schaffst das. Ich glaube an dich.", ertönt seine raue Stimme.

Unwillkürlich muss ich Lächeln.

"Danke.", hauche ich irgendwie ein Stück weit erleichtert.

Ich versuche in den nächsten Tagen El Regreso weiter zu schreiben, sodass wir Ende Januar mit dem 3. Teil von Amara anfangen können :)

Mi amorWhere stories live. Discover now