Kapitel 21

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Miguel

Wir sitzen im Auto auf dem Weg nach Culiacan und Amara lässt mir keine Ruhe. Ständig fragt sie was passiert, wenn Carlos' Sohn uns findet und ob sie oder ich sterben werden. Dabei habe ich ihr schonmal gesagt, dass man nur über meine Leiche an sie ran kommt.

Und das meine ich auch so.

Ich werde alles dafür tun, dass sie aus dieser Kartell-Scheiße heil rauskommt.

"Amara, niemand wird dir oder mir etwas tun. Glaubst du mir das jetzt?", frage ich sie mit ein wenig Nachdruck, da sie mich langsam aber sicher auch verrückt macht.

Sie nickt langsam.
"Ich möchte nicht, dass dir etwas passiert.", flüstert sie leise und schaut dabei aus dem Seitenfenster über die langen Maisfelder neben der Straße.

Es schmeichelt mir, dass sie sich Sorgen um mich macht.
Aber das muss sie wirklich nicht.
"Mir passiert nichts.", versichere ich ihr.

Hinter mir waren schon viel mächtigere Leute her. Carlos' Sohn hat ja nicht einmal Erfahrung. Er weiß wahrscheinlich nicht einmal, wo man die richtigen Schnitte setzen muss, damit jemand elendig verblutet und auch wirklich stirbt. Er weiß nicht, wo man hin schießen muss, damit die Leute nicht sofort tot sind, sondern sie noch einige Stunden leiden, bevor sie dann das Zeitliche segnen.

Anfänger eben.

"Auf der Rückbank liegen die Sandwiches in der Tasche, wenn du Hunger hast. Wir haben keine Zeit anzuhalten."
Ich deute mit dem Daumen nach hinten, doch sie rührt sich nicht. Es ist bereits 11 Uhr und sie hat noch nicht gefrühstückt.

"Ich habe keinen Hunger."

"Amara-"

"Ich habe keinen Hunger.", wiederholt sie sich diesmal lauter.
Ich schlucke das herunter, weil die Umstände schwierig sind, aber normalerweise würde ich sie damit nicht durchkommen lassen. Ich beschließe nichts mehr zu antworten, da ich wirklich keine Lust auf eine Diskussion oder einen Streit mir ihr habe.
Dann wird sie die ganze Fahrt über nicht mehr mit mir reden und im Anwesen in Culiacan wird sie mir definitiv aus dem Weg gehen.

Das kann ich mir nicht erlauben.
Ich muss arbeiten und habe Carlos' Sohn im Nacken sitzen. Da darf die Hälfte meiner Energie nicht für Stress mit diesem Mädchen drauf gehen.

Ich blicke kurz zu ihr rüber und stelle fest, dass sie ihre Augen geschlossen hat und gleichmäßig atmet.
Ich freue mich, dass sie schlafen kann, während ich fahre.

Sie vertraut mir, sonst würde sie nicht schlafen können.

Ich sollte mit ihr Klartext reden sobald das hier vorbei ist. Ich werde nicht nochmal den selben Fehler machen und sie gehen lassen.
Sie nicht persönlich schützen zu können war der Horror für mich. Ständig musste ich an sie denken und bin verrückt geworden, wenn es keine neuen Informationen über sie gab.

Ich will, dass sie für mich arbeitet, weil sie gut ist.
Das zeigen ihre Noten.
Aber ich will auch, dass sie für mich arbeitet, damit sie in meiner Nähe ist. Und ich will, dass sie in meiner Nähe ist, weil dieses Mädchen alles für mich bedeutet.

Alles.

Sie darf nicht gehen.
Nie mehr.
Und ich weiß, dass sie das auch gar nicht will. Wie sie mich anschaut, wie sie rot wird, wenn ich mit ihr flirte.
Wie sie sich Sorgen um mich macht.

Meine Kleine gehört mir und ich gehöre ihr.

Das die Nutten in Mexiko ihr nicht das Wasser reichen können war von Vornherein klar. Aber das es wirklich Amara ist, die ich will, hätte ich nicht gedacht.
Zumindest nicht am Anfang.

Sie ist schön und nett. Ihr Lachen ist toll. Aber andere Frauen, die ich getötet habe, waren auch schön.

Nur hat Amara etwas an sich, das wenige Frauen haben.
Sie ist natürlich.
Sie verstellt sich nicht, um mir zu gefallen. Sie tut keine Dinge, von denen sie weiß, dass sie mir gefallen. Die anderen Frauen, die ich getötet habe, hätten alles getan.

Ich weiß, das Amara es einfach hingenommen hätte, wenn ich sie getötet hätte. Sie hätte geweint, ja. Aber sie hätte sich mir nicht angeboten. Sie hätte sich nicht von mir anfassen lassen, damit ich sie noch länger am Leben lasse. Sie hätte keine dreckigen Geschäfte übernommen, nur damit ich sie am Leben lassen.

Ich bin stolz auf sie und ihre Entwicklung. Sie ist mutiger geworden und reifer. Sie bietet mir die Stirn und ich muss mir eingestehen, dass es mich stolz macht. So weiß ich, dass sie in diesem Geschäft nicht untergehen wird.

"Wie lange fahren wir noch?"
Amara's verschlafene Stimme klingt kratzig, deshalb reiche ich ihre eine Flasche Wasser.

"30 Minuten."

Sie nimmt einen großen Schluck und nickt dann. Vorsichtig lege ich meine Hand auf ihren Oberschenkel.
Ich merke wie sie sich anspannt und muss innerlich Grinsen. Zugegebenermaßen war ich mir nicht zu 100% sicher, ob sie mir wirklich so verfallen ist, wie ich angenommen habe.

Jetzt bin ich mir sicher.

"Wie geht es dir?", frage ich sie, als sie nichts mehr erwidert.
"Seit wann fragst du mich, wie es mir geht?", spottet sie und verkneift sich ein Grinsen.

Ich muss lachen.

"Hör auf und sag mir einfach wie es dir geht.", bitte ich sie mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen.
Sie greift nach meiner Hand, die noch immer auf ihrem zarten Oberschenkel liegt und spielt mit dem Ring an meinem Finger.

"Mir geht es gut. Darf ich dir eine Frage stellen?"
Zögerlich schaut sie mich an und lässt ihren Kopf gegen die Kopflehne des Sitzes fallen. Ihre warmen Fingern spielen noch immer mit dem Ring.

"Klar."

"Kriege ich auch so einen Ring?"

Ich befeuchte meine Unterlippe, um mir ein Lächeln zu verkneifen.
"Nein.", beginne ich und mache eine Pause.

"Du bekommst einen anderen.", fahre ich fort.
Ich sehe, wie sie die Stirn in Falten legt, weil sie nicht ganz versteht was ich meine.

"Was für einen?", fragt sie mich überrascht.

"Einen Verlobungsring.", sage ich mit ernster Stimme und biege nach rechts ab auf einen Schotterweg, der zu meiner Villa führt.

"Miguel."
Sie verdreht die Augen und drückt meine Hand von ihrem Oberschenkel. Ich muss lachen, weil sie meine Aussage nicht ernst nimmt.

Sie wird schon sehen.

Mi amorWhere stories live. Discover now