Kapitel 48

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Miguel
12:27 Uhr

"Du musst hier drauf drücken."
Wir stehen im Garten und ich zeige ihr, wo sich der Abzug meiner Waffe befindet. Amara sieht etwas unbeholfen aus, doch ich bin mir sicher, dass sich die Unsicherheit legt, sobald sie alles verstanden hat.

"Ich weiß, wie eine Waffe funktioniert.", meckert sie dennoch.
Ich muss grinsen.

Wenn sie sehen würde, wie eingeschüchtert sie hier vor mir steht, würde sie das nicht mehr behaupten.

Ich entscheide mich dazu sie in dem Glauben zu lassen und zeige auf das große, weiße Plakat mit den schwarzen Kreisen, welches ich am Ende des Gartens an der Hecke befestigt habe.

"Du musst langsam und vorsichtig ziele-"

"Amara!", unterbreche ich mich laut, da sie einfach abgedrückt hat. Schnell nehme ich ihr die Waffe auf der Hand und verstaue sie in meinem Hosenbund.

"Du kannst doch nicht einfach abdrücken, verdammt nochmal. Dios, du musst aufpassen! Weißt du nicht, wie gefährlich das sein kann, wenn du das ungeübt tust?!", fauche ich laut.

Mein Herz rast vor Wut.

"Ich habe getroffen.", übergeht sie meine Worte und zeigt an mir vorbei. Als ich mich umdrehe, staune ich nicht schlecht. Sie hat tatsächlich direkt in die Mitte getroffen.

"Das war Glück."
Ich runzle die Stirn und gehe auf das große Papier zu, um mich zu überzeugen, dass ich es mir nicht nur einbilde.

"Nein. Das war Können.", kontert sie frech und folgt mir.
"Siehst du?", wiederholt sie sich und zeigt auf das Einschussloch. Ich bleibe stehen und nehme das Blatt in die Hand.

"Du hattest also schonmal eine Waffe in der Hand.", stelle ich überrascht fest und zerknülle das Papier.

"Wir sind hier fertig.", brumme ich, als sie mich siegessicher von der Seite angrinst.

"Ich glaube auch!", flötet sie mir hinterher, da ich bereits auf dem Weg zur Terrasse bin.
Ich höre, wie sie mir folgt und kann ihre Freude bis hier hin spüren. Ich lobe sie absichtlich nicht, immerhin hätte sie mir auch sagen können, dass sie sich mit Waffen auskennt, anstatt mich in dem Glauben zu lassen, sie hätte sowas noch nie in der Hand gehabt.
Gestern Abend hätte sie es mir sagen können, stattdessen fragt sie mich, ob ich ihr jetzt das Schießen beibringe.

"Jetzt warte doch!", ruft sie und will mich aufhalten, doch ich gehe unbeirrt weiter ins Wohnzimmer.

"Man Miguel. Entschuldige, dass ich es dir nicht gesagt habe. Aber ich hab mir nur einen Spaß erlaubt.", entschuldigt sie sich und stellt sich mir in den Weg.
Sie hat die Hände in die Hüften gestemmt und sieht zu mir hoch.
Der Glanz in ihren Augen ist noch immer nicht zurück gekehrt.

"Witzig.", motze ich und will an ihr vorbei, doch sie lässt mich nicht.

Kurz zuckt sie provokant mit den Schultern und verkneift sich ein Grinsen, dann macht sie mir letztendlich doch den Weg frei. Ich schaue sie noch einen Augenblick an, dann gehe ich ins Büro.

"Komm.", winke ich sie zu mir und lasse mich auf meinen Bürostuhl fallen. Dann zünde ich mir zur Beruhigung eine Zigarette an und starte den Computer.
Amara läuft währenddessen in meinem Büro rum und durchforstet wieder mal mein Bücherregal.
Hin und wieder schaue ich zu ihr, dann checke ich meine Mails weiter.

"Du vermutest also, dass Piro Vallez eigentlich dein Bruder Jasper ist?", beginne ich und deute auf den Sessel vor meinem Schreibtisch.
Sie legt ihren Kopf leicht schief, dann setzt sie sich und nickt mir zu.

"Ja. Zumindest passt der Nachname.", erklärt sie den Hintergrund ihrer Annahme. Auch mir fallen die Parallelen auf, doch ich will es irgendwie nicht wahr haben.

"Warum sollte er dich töten wollen?", frage ich skeptisch und tippe nebenbei eine Mail an meinen Bruder.

"Wenn ich das wüsste, dann würden wir hier nicht sitzen." antwortet sie provokant.
Seit wann hat sie mir gegenüber so viel Mut?
Ich seufze als Antwort und ziehe an meiner Zigarette.

"Mein Vater kommt später, er sagt, er hätte Neuigkeiten.", informiere ich Amara, bevor ich sie aus meinem Büro schicke.

"Ich gehe jetzt nicht. Ich hab dir gesagt, dass ich mit dir zusammen daran arbeiten will.", weigert sie sich und bleibt sitzen.
Ihre Arme hat sie verschränkt, die Beine hat sie übereinander geschlagen.

"Gut, wie du willst.", gebe ich seufzend nach und widme mich wieder meinem Computer. Wenn sie unbedingt hier sitzen will und mir zu schauen will, soll sie das machen.

"Du willst mich nicht dabei haben.", stellt sie fest.

"Ich will, dass du dich ausruhst. Du wurdest angeschossen und hast viel Blut verloren. Ich hatte verdammt nochmal Angst um dich! Ich dachte, ich müsste ohne dich nach Hause fahren, verstehst du?!", werde ich wütend und muss mich beherrschen nicht auf den Tisch zu hauen.

Merkt sie denn nicht, wie ernst das Ganze ist?

Sie senkt ihren Kopf und spielt mit ihren Händen.

"Ich wusste nicht, dass es dir so ging.", murmelt sie ohne den Blick zu heben.
Ich öffne den zweiten Knopf meines Hemdes, da mir verdammt warm geworden ist.

"Jetzt weißt du's.", brumme ich und lehne mich wieder zurück in den Stuhl. Sie streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht, dann steht sie vom Sessel auf und geht zur Tür.

"Ich geh dann besser.", verabschiedet sie sich leise, während sie durch die Tür verschwindet.

Ich fahre mir durchs Gesicht und atme tief ein.
Dann buche ich uns Flüge nach Los Angeles.

Mi amorWhere stories live. Discover now