Kapitel 11

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Miguel
20:53 Uhr

"Geh bitte ins Badezimmer, ich komme sofort.", bitte ich sie schon einmal vor zu gehen, während ich den Autoschlüssel wegbringe.
Seitdem sie damals abgehauen ist, schließe ich die Schlüssel immer in meiner Schreibtischschublade ein.

Anschließend lege ich mein Jackett über den Sessel im Büro und gehe dann nach oben.

Sie ist immer noch mit ihrem Handy beschäftigt.

"Hat der Bastard dich wieder eingeladen?", kann ich mir nicht verkneifen eine fiese Bemerkung zu machen. Es nervt mich, dass ich nicht ihre Aufmerksamkeit bekomme.

Genervt legt sie ihr Handy bei Seite und richtet sich auf.
"Nein, es war mein Papa.", erklärt sie mir erstaunlich ruhig ohne mich anzuzicken.

"Sorry.", nuschel ich schnell, dann krame ich Desinfektionsmittel und Verbände aus dem Badezimmerschrank.

"Zieh deine Hose aus.", bestimme ich, während sie ins Badezimmer kommt.

Zu meiner Überraschung wehrt sie sich nicht, sondern tut exakt das, was ich sage.
Sie sitzt auf dem Badewannenrand und hält sich mit beiden Händen fest.

Ihre Knie sind dunkelblau, wobei das rechte deutlich schlimmer aussieht, als das linke.
Vorsichtig wasche ich das Blut mit einem Waschlappen ab.
Die Gänsehaut auf ihren schlanken Beinen entgeht mir nicht, als ich sanft nach ihrer Wade greife und das Bein zu mir ziehe.
Ihr Fuß ruht auf meinem Oberschenkel.

"Das brennt jetzt etwas.", warne ich sie vor.
Sie antwortet nicht und gibt auch keinen Mucks von sich, als das alkoholhaltige Mittel die Wunde trifft.

Gott, sie ist absichtlich so emotionslos und kalt und ich will nicht, dass sie so zu mir ist.

"Fertig."
Ich setze ihr Bein ab, nachdem ich das Pflaster über die Platzwunde am Knie geklebt habe.
Ein Verband ist nicht nötig.

Sie steht auf und geht wortlos aus dem Bad.

Wieso zieht sie sich ihre Hose nicht über?
Ist ihr nicht klar, dass ich ihren Hintern sehen kann?

"Willst du dich nicht bedanken?", frage ich stattdessen und versuche meine Kopfkino in die hinterste Ecke meines Hirns zu schieben.
Sie liegt wieder auf dem Bett, als ins Zimmer komme.

"Das wäre nicht nötig gewesen, wenn du mich nicht geschubst hättest. Nein, gar nicht wahr. Das wäre nicht nötig gewesen, wenn du mir zugehört hättest!", zischt sie und steht wieder auf.

"Zeig mir deinen Hals.", fordere ich sie auf die Haare hochzuhalten.
"Was?", fragt sie irritiert, da ich auf ihre Provokation nicht antworte.

"Die Haare. Ich will deinen Hals sehen.", wiederhole ich mich.
Sie greift nach den schulterlangen Haare und legt ihren Hals frei.

Er ist noch immer rot und an einigen Stellen zeichnen sich blaue Flecken ab, als Resultat meiner Finger, die sich in ihren Hals gebohrt haben.

"Es tut mir Leid, Amara.", sage ich es endlich. 

Sie hebt erstaunt ihren Kopf und blickt in meine Augen.

"Das kommt nicht wieder vor. Ich werde mich bessern.", füge ich hinzu.

Sie bleibt still.

"Es tut mir Leid, dass ich dir dein Leben genommen hab. Dass ich dich damals geschlagen habe, dass ich dich beleidigt habe. Und es tut mir auch Leid, dass ich es heute wieder getan habe. Dass ich dich gegen die Wand gedrückt habe, dir Angst gemacht habe und dir gesagt habe, dass ich dich töten werde. Das stimmt nicht.", höre ich nicht auf, weil sie endlich etwas sagen soll.

"Ich werde dich niemals töten. Ich könnte das nicht, verstehst du?", fahre ich fort, als sie immer noch nichts sagt.

"Ignorier mich nicht, Amara.", bitte ich sie.
Ich bin zum ersten Mal verunsichert, weil ich ihren Blick nicht deuten kann.

"Versuchst du mir gerade zusagen, dass ich dir wichtig bin?", runzelt sie die Stirn. 

Ich erkenne an den zuckenden Mundwinkeln, dass sie sich ein Lächeln verkneift.

"Bullshit, ich sage einfach nur, dass mein Verhalten dir gegenüber nicht richtig war.", leugne ich ihre Aussagen.

Sie glaubt mir nicht.

"Du entschuldigst dich, weil ich dir wichtig bin und du zum ersten Mal ein schlechtes Gewissen hast.", stellt sie fest und grinst ganz leicht.

Ich atme tief durch und lasse sie ihm Schlafzimmer stehen.
"Geh jetzt schlafen, ich bin im Büro.", brumme ich, als ich das Zimmer verlasse.

Sie kichert.

Natürlich ist sie mir wichtig, aber das kann ich ihr doch schlecht sagen.
Ich kann nicht zu ihr hingehen und ihr sagen "Hey Amara wusstest du, dass ich mir die ganzen 4 Jahren immer auf dich einen runtergeholt habe, immer an dich gedacht habe, als ich Nutten gefickt habe und dass du mir nie aus dem Kopf gegangen bist?"

"Verdammte Scheiße!", fluche ich und lasse mich auf den Sessel fallen.

"Willst du es ihr nicht bald sagen?", erschreckt mich Xavier kurz darauf und steckt seinen Kopf durch den Türspalt meines Büros.

Ich drehe mich um.
"Wem soll ich was sagen?", wundere ich mich, ob er meine Gedanken lesen kann.
Er stellt sich vor mich und lehnt sich an das Bücherregal.

"Dass du mehr für sie empfindest, als dein ganzes Schauspiel, was du hier abziehst.", schmunzelt er.

Ich verschränke die Arme vor meiner Brust.
"Ich weiß nicht, für wen ich irgendwas empfinden sollte.", brumme ich.

Er lacht spöttisch.
"Denkst du man würde nicht merken, wie du ihr immer hinterher schaust, um zu wissen, was sie macht? Dass du sie genau beobachtest, wenn sie draußen mit irgendwelchen deiner Männer spricht und Witze macht und dass du immer nur deine Bürotür offen lässt, wenn sie hier ist?", klärt er mich auf.

"Das stimmt nicht.", will ich die Diskussion beenden, doch er hört nicht auf meine Worte.

"Niemand darf sich um sie kümmern außer du. Meinst du, dass mir nicht aufgefallen ist, wie eifersüchtig du warst, als sie mit mir Karten gespielt hat und nicht mit dir?", zieht er seine Augenbrauen hoch.

Ich kippe mir Whiskey ins Glas.

"Na und? Dann hat es mir eben nicht gepasst.", gebe ich zu.
Was will er mir damit sagen?

Er schnauft.
"Du hast Carlos abgeknallt, weil er sie verletzt hat. Normalerweise wäre dir das egal."

Was ist mit ihm?
Hat er mich studiert oder was läuft hier?

"Geh zu ihr und sag ihr das. Sonst tu ich es oder Sofia, die im Übrigen morgen vorbei kommt.", informiert er mich, dass meine nervige Schwester hier bald aufkreuzen wird.

"Schön, dass du es mir so früh sagst!", fauche ich und exe das Whiskeyglas. 

Er lacht.
"Du packst das, Kumpel."

Mit diesen Worten verlässt er den Raum.

Mi amorWhere stories live. Discover now