Kapitel 41

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Miguel

"Ich spreche mit dem Arzt, dass wir heute nach Hause können, ja? Dann waschen wir dich zu Hause."
Meine Stimme ist leise, zögernd. Will sie überhaupt, dass ich ihr helfe? Dass ich sie wasche?
Wir sind nicht mehr zusammen, ich habe kein Recht mehr darauf.

"Ja.", haucht sie mit zittriger Stimme.

Ich führe sie zum Bett und warte, bis sie wieder richtig liegt. Erschöpft schließt sie die Augen. Dann verlasse ich das Zimmer, schließe die Tür und mache mich auf den Weg zum Arzt.

"Wo ist der Doktor?", frage ich die Krankenschwester, die mich die ganze Zeit anmacht. Schnell steht sie auf und stellt sich vor mich. Sie streicht sich durch ihre Haare und legt den Kopf leicht schief.

Nicht so, wie Amara es immer macht. Nein. Sie glaubt, dass sie mich damit verführen kann. Amara macht es, wenn sie etwas nicht versteht. Das ist was anderes. 

Das ist süß.

Ich seufze.

"Kann ich Ihnen helfen?", fragt sie mich und zeigt mir ihre schneeweißen Zähne.

"Nein, ich suche den Doktor.", wiederhole ich mich.

"Vielleicht kann ich Ihnen auch helfen.", übergeht sie meine Aussage. Was versteht sie bitte nicht, wenn ich sage, dass ich den Arzt sprechen will?
Mir entgeht nicht, dass ihr Oberteil einen tieferen Ausschnitt hat, als die der anderen Schwestern.

"Wissen Sie, wie sie mir helfen können?", flüstere ich ihr entgegen. Sie springt sofort drauf an und kommt mir fragend näher.

"In dem Sie mich in Ruhe lassen und mir sagen, wo der Arzt ist!", zische ich unfreundlich. 

Sie zuckt zurück und schaut mich entsetzt an. Sie scheint wirklich nicht zu wissen, wer ich bin und was ich für einen Beruf habe.
Oder es interessiert sie einfach nicht.

"Er- Er ist da hinten in Untersuchungsraum 2.", stammelt sie entsetzt und zeigt den Flur entlang. Ohne mich zu bedanken mache ich mich auf den Weg. Blöde Kuh, denke ich mir.
Vermutlich sitzt ihr Mann irgendwo in Culiacan in einem der großen Bürogebäude und macht Überstunden ohne Ende, damit sie sich von seinem Geld die Lippen aufspritzen und die Brüste vergrößern und gleichzeitig die männlichen Patienten anbaggern kann.

Früher war mir sowas egal. Heute finde ich es abartig.

"Wollen Sie zu mir, Señor?"
Der Arzt kommt gerade aus dem Untersuchungsraum und desinfiziert sich die Hände.

"Ja. Ich würde gerne heute Abend mit meiner Frau nach Hause.", erkläre ich ihm und mache deutlich, dass er es bloß nicht ablehnen soll.

"Prinzipiell ist das möglich, nur-"

"Gut, machen Sie die Entlassungspapiere fertig.", befehle ich ihm und verschwinde aus dem eisigen Flur. Das Licht ist unangenehm hell, sodass es mich ständig blendet.

"Hier Señor Jimenez. Sie sollten sich in 2 noch einmal mit ihrer Frau beim Hausarzt vorstellen, der sich dann die Wunde genauer ansieht. Ansonsten achten Sie bitte auf Anzeichen, die auf eine Blutvergiftung hindeuten. Starkes Schwitzen, rote Flecken am Hals und rote Striemen, die von der Verletzung wegführen. Sollte sie starke Schmerzen kriegen, zögern sie nicht einen Arzt aufzusuchen.", erklärt er mir einige Einzelheiten.

Amara sitzt seelenruhig auf der Bettkante und starrt auf den Boden.

"Gut, danke.", verabschiede ich mich von ihm. Ich greife nach der Tasche, die ich bereits gepackt habe und nehme Amaras Hand.

"Wenn du eine Pause brauchst, dann sag mir Bescheid.", gebe ich ihr zu verstehen, dass mir ihr Wohlbefinden wichtig ist. Wir haben schließlich keine Eile.
Mit langsamen Schritten verlassen wir das große Krankenhaus. Wir waren zwar nur 2 Tage hier, aber es fühlt sich dennoch an wie eine Ewigkeit.
Ich habe Amara's Haare zusammengebunden, damit sie die roten Strähnen nicht sieht. Es würde sie fertig machen.

Theo wartet bereits im schwarzen SUV vor dem Ausgang auf uns. Ich öffne Amara die Tür, helfe ihr einzusteigen und schnalle sie dann an. Ich habe das Gefühl, als sei sie gedanklich nicht anwesend. Sie ist mit dem Kopf überall, aber nicht hier bei mir. Ich hoffe, dass sich das ändert, wenn wir wieder in der gewohnten Umgebung sind.

Ich schließe vorsichtig die Tür, dann stelle ich die Tasche in den Kofferraum und setze mich zu ihr auf die Rückbank. Nachdem ich mich angeschnallt habe, umfasse ich ihre Hand. Sie hebt den Blick ganz leicht, schaut mir ins Gesicht und lächelt schwach.

"Hast du Schmerzen?", frage ich sie ruhig und beuge mich etwas zu ihr. Ich fasse unter ihr Kinn, drücke ihren Kopf leicht hoch und schaue ihr ins Gesicht. Seitdem ich ihr gedroht habe, dass ich ihren Vater umlegen lasse, ist der Glanz aus ihren wunderschönen Augen verschwunden.
Sie ist traurig und unglücklich, ängstlich und eingeschüchtert.

"Nein, es geht schon.", flüstert sie heiser und will ihren Kopf abwenden, doch ich halte sie auf.

"Was liegt dir auf dem Herzen?", hake ich nach. Ich bin nicht dumm, ich merke, wenn etwas meine Frau bedrückt.

"Ist er tot?", haucht sie und traut sich kaum mir in die Augen zu schauen. Was meint sie? Den Schützen? Ihren Vater?

"Mein Vater. Hast du ihn töten lassen?!", wiederholt sie sich verzweifelt. Tränen fließen ihr über die Wangen. Schnell wische ich ihr mit dem Daumen die salzigen Tropfen aus dem Gesicht.

"Natürlich nicht. Lass uns da später drüber reden."

Ich will absichtlich das Thema wechseln, weil ich nicht möchte, dass sie sich aufregt oder noch stärker weint. Sie soll sich ausruhen.
Ich ziehe sie zu mir rüber und lege ihren Kopf auf meinen Schoß. Ihre Hand liegt auf meinen Oberschenkel kurz vor meinem Knie, die Augen hat sie geschlossen.
Ich fahre ihr durchs Haar, streiche ihr eine wellige Strähne aus dem Gesicht und betrachte ihr wunderschönes seitliches Profil.

Wie kann ich das je wieder gut machen?

Mi amorWhere stories live. Discover now