Kapitel 39

12.6K 361 19
                                    


Miguel
10:34 Uhr

Wir sitzen beide still schweigend neben Amara und starren umher. Keiner weiß, was er sagen soll.
Keiner will etwas sagen, bis Xavier kommt.

"Hey.", begrüßt er erst mich und dann meinen Bruder.
Als ich mich umdrehe, sehe ich Sofia im Türrahmen stehen.

Sie sieht müde aus.

Gerade als ich etwas erwidern will, unterbricht mich eine weitere Stimme.
"Miguel."

Amara.

"Du bist wach.", rufe ich und kann meine Tränen nicht zurückhalten.
Ich küsse ihre Hand, fahre mit meinen Fingern über ihr Gesicht, ihre Lippen und ihre weichen Haare.
Erschöpft lächelt sie.

Auch Sofia kann ihre Freude nicht verbergen. Schnell geht sie an Xavier vorbei und haucht Amara einen Kuss auf die Wange.
"Wir hatten Angst um dich.", flüstert sie und drückt Amara's kleine Hand.
Eine Träne flieht aus ihrem Augen und sie schafft es nicht, sie rechtzeitig wegzustreichen.

Ich lege meinen Daumen an ihre Wange, fange den salzigen Tropfen auf.

"Nicht weinen.", hauche ich und kann meine Augen nicht von ihr nehmen.
Sie vorsichtig greift sie nach meiner Hand.

"Pedro, du bist auch hier."
Sie lächelt meinem Bruder zu, welcher sich erhebt und ihr auf den Haaransatz küsst.

"Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt.", schmunzelt er und bringt Amara leicht zum Lachen.
Weil Amara sich nicht alleine aufsetze kann, greife ich ihr unter die Arme.

Ich ziehe das Fliegengewicht höher und stelle die Rückenlehne entsprechend ein. Nun sitzt sie etwas aufrechter.
Vorsichtig setze mich neben sie auf die Bettkante, damit sie weiß, dass ich jederzeit da bin, wenn es ihr zu viel wird.

Ihr Lächeln macht mich glücklich und für einen Moment vergesse ich die Probleme, die da draußen auf mich warten.

"Ich sage einer Schwester Bescheid, dass sie wach ist."
Mit diesen Worten verschwindet Pedro aus dem Zimmer und lächelt Amara noch einmal zu. Zwar denke ich nicht, dass sie es mitbekommen hat, weil sie viel zu erschöpft und müde ist, aber die Geste zählt.

Es dauert nicht lange, bis Pedro mit einer Schwester und einem Arzt das Zimmer betritt.

"Señora Ramirez.", begrüßt er sie und nickt danach uns zu.
"Wie geht es Ihnen?"

"Ich bin müde."
Amara lässt ihren Kopf langsam ins Kissen fallen und verzieht kurz das Gesicht. Der Arzt nickt kurz, dann schaut er sich den Tropf an und notiert einige Sachen.
"Können Sie kurz das Zimmer verlassen? Ich möchte mir ihre Wunde anschauen. Señor, Sie können natürlich hier bleiben."

"Bis gleich.", schicke ich die anderen raus.
Nach und nach verlassen sie das Zimmer.

Der Arzt drückt Amara's Kopf leicht an die Seite, sodass er bessere Sicht auf ihren Hals hat. Ihr Hals ist blau und einige alte Blutkrusten sind noch zu sehen. Ich sehe wie Amara vor Schmerz in die Bettdecke greift und nehme schnell ihre Hand.

"Ich bin da. Es ist alles gut.", beruhige ich sie.

"Es sieht alles in Ordnung aus. Sie kriegen gleich eine Blutinfusion und wir machen einen Ultraschall. Morgen Nachmittag können sie dann nach Hause."
Zufrieden lächelt er uns an.

"Ich werde jetzt noch Blut abnehmen, dann können Sie sich den Rest des Tages ausruhen. Wenn Sie duschen wollen, achten sie darauf, dass das Pflaster nicht allzu nass wird. Ansonsten wird eine Schwester es nochmal wechseln."

Er streichelt kurz ihren Arm, dann verlässt er uns.

"Danke, Doktor.", rufe ich ihm hinterher.
Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal innerhalb von 24 Stunden so oft bedankt habe.
Als ich zurück zu Amara sehe, ist sie bereits eingeschlafen.

Vorsichtig löse ich ihre Hand aus meiner und trete dann vor die Tür.

"Sie schläft. Morgen Mittag kann sie nach Hause. Sie kriegt noch eine Infusion, dann ist alles geregelt.", erkläre ich meiner Familie.
Erleichterung macht sich auf ihren Gesichtern breit.

"Papa kommt um 15 Uhr in Culiacan an.", wende ich mich an Pedro und lasse mein Handy wieder verschwinden.
Auch wenn ich meinen Vater nicht sonderlich mag, bin ich froh, dass er uns unter die Arme greift. Alleine würde ich das nicht schaffen. Ich bin befangen, weil es um meine Frau geht.
Ich würde alles kurz und klein schlagen.

"Wir lassen euch dann alleine.", verabschieden sich Sofia und Xavier, auch Pedro macht sich auf den Weg.

Ich winke kurz zum Abschied, dann gehe ich zurück zu Amara und setze mich neben das schlafende Mädchen.
Sollte es wirklich Carlos' Sohn gewesen sein, dann werde ich ihn dran kriegen. Ich werde ihn leiden lassen und seine ganze Familie auslöschen. Seine verdammtes Kartell werde ich in die Luft jagen und auf seinen Untergang anstoßen.

Ich werde zusehen, wie er vor meinen Augen verblutet. Ich werde ihm die Kugel in den Hals jagen, so wie er es bei Amara getan hat, und zusehen, wie das Blut aus seiner Halsschlagader fließt. Seine Frau soll zu sehen, seine Geschwister auch. Und dann werde ich sie nach einander auslöschen.

Genauso werde ich es tun.

Mi amorWhere stories live. Discover now