Kapitel 46

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Miguel
23:44 Uhr

"Ich gehe schlafen.", verabschiedet sich Paulo und erhebt sich von der Couch. Amara winkt ihm kurz lächelnd zu, dann tippt sie wieder auf dem Laptop rum.

"Wie lange willst du noch arbeiten? Es ist gleich Mitternacht und du bist noch nicht richtig fit, vergiss das nicht."
Sie soll sich lieber richtig ausruhen. Der Flug nach Amerika wird auch nicht gerade weniger anstrengend, nicht zu vergessen ihr Staatsexamen in knapp einer Woche.

"Gleich.", erwidert sie gedankenverloren.

"Schläfst du denn noch mit mir in einem Bett?", frage ich vorsichtig.

Sie schmunzelt, als sie den Laptop schließt und sich vom Sofa abdrückt.

"Bleibt mir was anderes übrig? Ich möchte ungerne wieder angeschossen werden.", erwidert sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
Ich drücke mich ebenfalls vom Sessel ab und nehme ihren Laptop in die Hand.

"Gut.", spotte ich und folge ihr nach oben.

"Bringst du mir das Schießen bei?", flüstert sie, während wir die Treppen hochlaufen. Meine Hand liegt auf ihrer Hüfte, um sie zu stützen und ihr Halt zugeben.

"Werde ich müssen, oder?", stelle ich die Gegenfrage.
Wenn sie jetzt wirklich mitmischt, auch, wenn es nur rechtliche Sachen sind, sollte sie wissen, wie man mit einer Waffe umzugehen hat. Es ist für ihre und unsere Sicherheit am besten. Sie wird mit auf Geschäftstermine kommen und ekeligen Leuten begegnen. Leute, die unberechenbar sind.
Es wird sich schnell rumsprechen, wenn sie keine Waffe bei sich trägt. Die Typen werden sie als Schwachstelle ausmachen und dazu darf es auf keinen Fall kommen.

"Ich buche uns morgen die Flüge nach Los Angeles.", beginne ich ein neues Thema, als sie nicht mehr antwortet.

"Wie lange bleiben wir?", spricht sie endlich.

"Nicht lange, es ist zu gefährlich.", erkläre ich ihr mein Vorhaben, während sie sich ins Bett legt.

"Aber ich bin schon lange nicht mehr dort gewesen", beschwert sie sich.

Dann höre ich, wie sie sich wegdreht und die Decke weiter über ihren Körper zieht.
Sie will schlafen, das ist mir klar, und auch mir wird langsam bewusst, dass ich verdammt müde bin.
Zwar habe ich im Krankenhaus geschlafen, trotzdem war ich nicht ausgeruht. Die Geräte waren viel zu laut, ständig waren da Geräusche auf dem Flur und das helle Licht, das durch den Spalt der Tür ins Zimmer gedrungen ist, hat mich unruhig schlafen lassen.

Auch wenn Theo vor der Tür aufgepasst hat, hatte ich immer das Gefühl, als müsste ich wachsam sein und Amara schützen.
Ich schließe langsam die Augen und versuche mich zu entspannen. Auch wenn ich müde bin, schlafe ich nicht ein.
Ständig muss ich zur Tür oder zum Balkon schauen und sichergehen, dass keiner davor lauert.

Als ich Amara's gleichmäßigen Atem höre, richte ich mich auf und schaue aus dem Fenster aufs Meer.
Es glänzt im Licht des Mondes und das sanfte Rauschen hat eine beruhigende Wirkung. Ich werfe mir einen Hoodie über und hole den Laptop aus meiner Tasche.
Wenn ich schon nicht schlafen kann, dann kann ich wenigstens weiter arbeiten und den dreckigen Bastard finden, der meiner Kleinen das angetan hat.

Es war nicht gelogen, als ich meinte, dass ich diesen Namen noch nie gehört habe. Ich kenne die Leute von Carlos und ich kenne erst recht seine besten Schützen. Dieser gehört definitiv nicht dazu.
Wäre er neu, dann hätten sie ihn mit Sicherheit nicht sofort auf Amara angesetzt. Entweder hat dieser Typ im Untergrund gelebt und gehandelt oder er gehört nicht zum Jalisco-Kartell.

Ich schreibe meinem Vater eine Mail mit dem Namen, den er für mich überprüfen soll. Ich habe wichtigeres zu tun, als diese Dinge zu erledigen. Ich habe eine leise Ahnung, wer hinter diesem Namen steckt, aber das kann nicht sein.

Das kann und darf nicht sein, deshalb bete ich inständig, dass sich meine Vermutung nicht Bewahrheitet.

Mi amorWhere stories live. Discover now