Kapitel 33

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Miguel

Zaghaft nickt sie.

Ich lehne mich an die Rückenlehne des Bettes und winke sie zu mir heran. Langsam krabbelt sie zu mir und setzt sich neben mich.
Dann streicht sie über die Tattoos und jagt mir eine Gänsehaut über den Körper.

"Das M steht für meine Mutter. Sie hieß Marife.", erkläre ich ihr und betrachte den kleinen geschwungenen Buchstaben, der auf meinem Handrücken steht.

"Ein schöner Name."
Amara lächelt leicht, ihre Augen glänzen ehrlich.

"Möchtest du über sie reden?", fragt sie mich vorsichtig.
Früher hätte mich diese Frage verärgert, heute nicht.

"Über wen? Deine Schwiegermutter?", ärgere ich sie und versuche die Ernsthaftigkeit zu überspielen.
Sie haut mir leicht auf den Oberarm, während sie die Augen verdreht.

Ich muss grinsen.
"Sie war eine tolle Mutter. Sie fand es nie gut, dass Pedro und ich denselben Weg eingeschlagen haben, wie unser Vater, aber sie hat sich damit abgefunden und uns trotzdem akzeptiert."

"Das ist schön. Habt ihr sie oft besucht?"
Amara kann ihre Neugierde nicht verstecken, auch wenn sie versucht gleichgültig zu klingen.

"Ja. Ich war fast jedes Wochenende bei ihr. Kurz vor ihrem Tod, bin ich bei ihr eingezogen. Sie ist in meinen Armen eingeschlafen."
Ich denke nicht gerne an die Zeit zurück, aber für Amara tue ich es.

Sie hat es verdient, etwas aus meinem Leben zu erfahren.

"Du bist ein guter Mensch.", flüstert sie leise und küsst meine Wange.

"Nein."
Langsam schüttel ich den Kopf.

"Ich bin alles, aber kein guter Mensch. Ich wäre ein guter Mensch, wenn ich sie von dem Leid befreit hätte, welches mein Vater ihr zugefügt hat. Ich wäre ein guter Mensch, wenn ich andere nicht töten würde und meine Wut nicht an ihnen auslassen würde. Und ich wäre ein guter Mensch, wenn ich dich besser behandelt hätte. So, wie du es eigentlich verdient hätte-"

"Hör auf!", unterbricht sie mich schnell.
Fragend schaue ich sie an. Ich habe doch Recht?

"Ich möchte darüber nicht mehr reden. Ich habe dir eine neue Chance gegeben, alles andere ist Vergangenheit.", erklärt sie ihr Handeln.

"Du bist ein guter Mensch."

"Ich weiß.", lächelt sie keck und lehnt sich dann an meinen Oberkörper.
Ich streiche ihr grinsend durchs weiche Haar und inhaliere den lieblichen Duft von Vanille, der mich entgegen strömt.

"Was bedeutet das hier?"

Ich fahre mir lachend durchs Gesicht.
"Das ist ein Bibelvers. Jakobus 3: 18."

"Die Furcht der Gerechtigkeit aber wird gesät in Frieden für die, die Frieden stiften.", erläutert sie den Vers.
Überrascht schaue ich sie an.
Woher kennt sie den?

"Und du tust Gerechtigkeit, indem du Frauen und Kinder tötest?", fragt sie und versteht mittlerweile warum ich gelacht habe.
Ja, es klingt komisch, aber in meinen Augen tue ich das Richtige.
Die Leute, die ich umlege, oder umlegen lasse, haben in den meisten Fällen etwas Schlimmes getan.

Sie haben nichts anderes verdient gehabt.

"Ich sorge für Gerechtigkeit.", gebe ich schulterzuckend von mir.

"Das glaubst du doch selber nicht.", kichert sie und richtet sich auf.

"Die Leute, die ich töte, haben es auch verdient gehabt."
Das ganze wird mir langsam zu bunt.

Will sie jetzt wirklich auf diesem Thema rumhacken?

"Meine Mutter auch?"
Sie ist wütend, das höre ich an ihrer Stimmfarbe. Genervt streiche ich mir übers Gesicht.

"Ja, deine Mutter auch.", spotte ich.
Rasch entfernt sie sich von mir.

"Wie kannst du sowas sagen?"
Ihre Augen haben sich mit Tränen gefüllt, ihr Atem geht schnell. Sie sitzt bereits rund einen Meter von mir entfernt und schaut mich ungläubig an.

"Ich musste deine Mutter töten, damit ich an den Zettel komme. Sie hätte sich mir in den Weg gestellt.", erkläre ich genervt.

"Wie bitte?!"

Fassungslos steht sie vom Bett auf.
"Du musstest sie umbringen, damit du an diesen scheiß Zettel kommst?! Das ist deine Erklärung?", schreit sie mich an.

Ich richte mich ebenfalls auf, um ihr zu zeigen, dass sie sich nicht einbilden braucht, sie dürfe mich einfach so anschreien.

"Sie wäre ohnehin vom anderen Kartell erschossen worden.", will ich sie beruhigen, doch das ganze geht nach hinten los.

"Dann hättest du sie einfach mitnehmen können! Du hättest Leute vor unserem Haus postieren können, es hätte so viele Möglichkeiten gegeben und du knallst sie einfach ab!", brüllt sie wütend, während ihr die heißen Tränen über die glühenden Wangen laufen.

"Ja. Ja genau so habe ich es gemacht. Und? Was willst du jetzt tun? Sag's mir. Sag mir, was du jetzt tun willst? Kannst du noch was ändern?"
Meine Stimme ist lauter geworden, weil sie mich in den Wahnsinn treibt.
Ich bin mittlerweile vom Bett aufgestanden und habe mich vor ihr aufgebaut.

Sie bleibt still.

"Sag's mir. Was willst du jetzt noch ändern? Du kannst nichts machen, verstehst du das? Wenn ich wollte, dann könnte ich deinen Vater heute noch umlegen lassen. Ich brauche nur einen Anruf tätigen und er wird den morgigen Tag nicht mehr erleben.", zische ich ihr entgegen und mache einen Schritt auf sie zu.

Ich fange ihre Hand ab, die mein Gesicht treffen sollte.

"Oh Baby, entspann dich besser. Nicht, dass ich es wahr werden lasse.", hauche ich ihr entgegen und deute auf mein Handy, dass auf dem Nachttisch liegt.

"Das wollen wir ja nicht, oder?", provoziere ich sie und schaue zu, wie der Glanz in ihren Augen langsam verblasst.

"Das würdest du nicht tun.", flüstert sie atemlos.

Ich lache.

"Willst du es sehen? Nur ein Anruf...", wiederhole ich mich schulterzuckend

"Und jetzt geh dich waschen und dann leg dich schlafen. Ich habe keine Lust mit einem Kind zu diskutieren."
Ich lasse ihr Handgelenk los und drücke sie ins Bad.

Dass sie mich immer provozieren muss.

Mi amorWhere stories live. Discover now