Kapitel 28

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Miguel

Ich verstaue die Waffe wieder in der Schublade meines Schreibtisches und laufe zu ihr nach oben.
Kurz bevor ich das Zimmer betreten kann, ruft jemand nach mir.

"Boss.", ertönt Xaviers Stimme zum zweiten Mal.

"Können wir reden?", frage ich ihn, ohne ihn oder meine Schwester zu begrüßen.
Sichtlich irritiert nickt er mir zu, dann folgt er mir ins Büro.
Ich schließe die Tür hinter ihm und setze mich auf einen der teuren Ledersessel.
Mein Gesicht vergrabe ich in meinen Händen.

"Ich liebe sie.", gebe ich zu.

"Ich liebe dieses Mädchen, aber ich füge ihr so viel Leid zu. Und das gibt sie mir jeden Tag zu spüren. Sie hält es mir nicht wirklich vor, aber ich sehe an ihrer Haltung und ihren Gesichtsausdrücken, dass ich ihr weh tue, dafür sorge, dass sie leidet.", spreche ich leise und ich habe das Gefühl, als würde eine riesige Last von mir abfallen.

"Ich will sie als meine Frau. Herr Gott, manchmal, da stelle ich mir sogar vor, wie sie mit unseren Kindern im Garten spielt, obwohl ich Kinder hasse.", lache ich unsicher.

"Sie hat mir heute gesagt, dass sie mich nicht will. Sie will eine geschäftliche Beziehung, nichts weiter.", erkläre ich ihm mein eigentliches Problem.

"Warum erzählst du mir das?", fragt Xavier plötzlich.

Was ist das denn für eine Frage?
Er ist mein bester Freund, natürlich erzähle ich ihm das.

"Geh da hoch und erzähl ihr das. Entschuldige dich, erkläre ihr warum du so bist, wie du bist. Sie wird das verstehen.", klärt er mich auf.

Ich schüttle den Kopf.
"Sie wird das nicht verstehen. Ich habe das kaputt gemacht mit uns."

Ich fahre mir übers Gesicht.

"Natürlich wird sie das verstehen. Du hast sie entführt, du hast sie gewürgt, ihr gedroht sie abzuknallen, sie heftig geschubst. Du kommandierst sie rum, hältst sie wie dein Spielzeug und sie ist immer noch hier. Bei dir. Wenn einer das versteht, dann sie.", schnaubt er und scheint mein Problem nicht wirklich ernst zu nehmen.

Ich atme tief durch.
"Wenn sie mich köpf, dann bist du Schuld.", zische ich und lege die Waffe auf den Tisch, bevor ich zu ihr hoch gehe. Meine Beine zittern leicht, als ich die ersten Treppenstufen hochgehe.

Bin ich jetzt wirklich nervös?

Ich klopfe an unsere Tür, in der Hoffnung, dass sie schon fertig ist.

„Ja?" ruft sie vorsichtig.

Langsam drücke ich die Klinke herunter und trete ein.
"Oh Dios, erschreck mich doch nicht so. Seit wann klopfst du? Normalerweise kommst du einfa-"

"Ich liebe dich.", unterbreche ich sie.

Schlagartig hält sie in ihrer Bewegung inne und stellt sich aufrecht hin.
Dann räuspert sie sich, ihr Gesicht färbt sich rot.

"Was?", fragt sie unsicher.

Ich schließe die Tür und gehe näher zu ihr, halte aber einen sicheren Abstand, falls sie mich doch gleich verprügelt.

"Ich liebe dich. Ich weiß, dass ich dir Leid zufüge. Dass du wegen mir leidest. Ich werde mich bessern. Ich will nicht, dass du wegen mir leidest. Ich habe dir nie gut getan, seitdem wir uns kennen. Ich habe dich bedroht, dir wehgetan, körperlich und psychisch, ich weiß. Ich will nicht, dass du das vergisst, das sollst du nicht. Ich möchte nur, dass du mir verzeihst.", erzähle ich ihr alles was mir auf dem Herzen liegt.

"Und ich weiß, dass du mich auch mehr magst, als du dir eingestehen willst. Aber das tut nichts zur Sache. Ich wollte nur, dass du das weißt. Ich liebe dich, Amara Ramirez.", beende ich meine Rede.

Sie steht perplex im Raum, ihre Augen glänzen feucht im warmen Licht. Ihre Haut ist mit einer Gänsehaut überseht, doch ich kann nicht einschätzen, ob ich sie berührt oder verärgert habe.

Als sie nichts erwidert, drehe ich mich um und gehe zurück zur Tür.
Ich hatte bereits erwartet, dass sie nichts sagt, deshalb überrascht mich ihre Reaktion ni-

"Ich liebe dich auch."

Ich bleibe stehen. Was hat sie gesagt?

"Hörst du? Ich liebe dich auch, Miguel."
Ihre Stimme zittert und Tränen laufen ihr über die zarten Wangen, die sie schnell wegwischt, als ich mich zu ihr drehe.

"Du hast recht. Ich fühle das gleiche für dich. Und du hast recht, dass du mir weh tust. Fast jeden Tag. Aber ich gebe dir eine Chance. Zeig mir, dass du anders sein kannst. Zu mir. Bitte. Zeig mir, dass du mit mir anders umgehen kannst, als mit deinen anderen Leuten.", fleht sie mich weinend an.

"Ich verspreche es dir."
Dann nehme ich sie in den Arm. Ihre Haut ist warm, ihr Kopf glüht.
Ich streiche ihr über die Haare, setze mich mit ihr zusammen aufs Bett und ziehe sie auf meinen Schoß.

"Bis nächste Woche habe ich alles geklärt und dann werden wir nach Los Angeles fliegen. Nur wir beide. Du wirst dein Staatsexamen schreiben und danach machen wir Urlaub.", versichere ich ihr und drücke sie fester gegen meine Brust.

"Ich liebe dich.", flüstert sie erneut und scheint es selber noch nicht verstanden haben.

Aber wer versteht das auch?
Ich bin ein arroganter, gewalttätiger Mistkerl. Wie kann sie sich tatsächlich in mich verliebt haben?

"Ich werde immer auf dich aufpassen, mi amor. Versteht du?", flüstere ich ihr zu und streiche über ihren Rücken.

"Ich werde mich bessern.", wiederhole ich mich erneut.
Sie soll das wissen.
Ich werde es ihr jeden Tag sagen und es ihr jeden Tag beweisen.
So wahr ich Miguel Jimenez heiße.

"Ich habe Angst um dich. Dass dir was passiert, dass dir jemand etwas antut. Ich hatte Angst, dass du einen besseren findet. Jemand, der liebevoller zu dir ist und dich gut behandelt. Besser als ich.", gebe ich zu.

"Deshalb bin ich so zu dir gewesen. Ich dachte, dass ich nur so auf dich aufpassen kann. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn dir etwas passiert und das nur, weil ich dich damals einfach entführt habe."
Schnell wische ich mir eine Träne aus dem Augenwinkel.

Oh Gott. Jetzt muss ich auch noch weinen.

Natürlich entgeht es ihr nicht, weshalb sie schnell den Kopf anhebt.

"Ich weine ni-"

"Doch, tust du.", stellt sie fest und küsst mich auf die Wange.

"Bleibst du bei mir?", frage ich sie nun, als sie mich endlich anschaut.

"Ja", haucht sie.

Dann küsse ich sie.
Nicht leidenschaftlich, nein.
Vorsichtig.

Mit Liebe.

Mi amorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt