Kapitel 24

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Miguel

Ich bleibe am Tisch sitzen und schaue dem schönen Mädchen vor mir zu, wie sie mein Essen verschlingt. Hin und wieder checke ich meine Mails, ob sich irgendetwas Interessantes bezüglich Carlos und seinem Sohn Eduardo ergeben hat.

"Willst du gleich noch lernen?", frage ich sie auffordernd, da ich mich nicht dran erinnern kann, wann sie das letzte Mal gelernt hat.
Ihr Abschluss ist wichtig, den sollte sie nicht schleifen lassen.

"Ja, kann ich machen.", gibt sie leise von sich.

Ich schnaufe.
"Natürlich wirst du das machen. Du schreibst schließlich in 3 Wochen.", spotte ich und stehe vom Stuhl auf, um in mein Büro zu gehen.

"Ja Papa.", höre ich genervt hinter mir.
Abrupt bleibe ich stehen und drehe mich langsam um.
Ich hoffe inständig, dass ich mich gerade einfach nur verhört habe. Mit großen Schritten gehe ich auf sie zu und stelle mich dicht hinter sie. Meine Hände lege ich auf den Tisch, sodass sie zwischen meinen Armen gefangen ist.

Dann beuge ich mich runter zu ihrem Ohr.
"Wie bitte?", frage ich bedrohlich und hoffe, dass sie sich nicht noch einmal wiederholt.

Ich spüre ihre Nervosität, doch sie versucht sie geschickt zu überspielen, in dem sie einfach weiter isst.
Als sie die Gabel zu ihrem Mund führen will, greife ich nach ihrem Handgelenk.

"Du wirst zu frech.", hauche ich ihr ins Ohr und ziehe mich dann zurück. Auch wenn ich sie gerne noch weiter ärgern würde, muss ich zurück an den Schreibtisch.
Ich habe immer noch nicht herausgefunden wo sich Carlos' elendiger Sohn gerade herumtreibt.

Aber eine positive Sache hat das Ganze - Ich muss nicht mehr nach Guadalajara.

Ich schütte mir etwas Whiskey ins Glas und schaue aus dem Fenster, während ich einen großen Schluck nehme. Die bitter-süße Flüssigkeit läuft meine Kehle herunter und bringt mich runter. Es wäre alles so viel einfacher, wenn dieses dumme Kartell mich und Amara einfach in Ruhe lassen würde.
Ich könnte ihr die Umgebung zeigen, mit ihr an den Strand oder in den Dschungel fahren. Wir könnten nach Yucatan in den Urlaub und alles um uns vergessen.

Irgendwann.

Irgendwann habe ich das hier geklärt.
Und dann fahre ich mit ihr durch ganz Mexiko und zeige ihr jeden Flecken in diesem Land. Ich kaufe ihr jedes Haus und jede Wohnung, die sie haben will. Jede Ortschaft, die sie schön findet.

Angespannt fahre ich mir mit der flachen Hand durch den Nacken und setze mich dann an den Schreibtisch.

"Kann ich dir was helfen?"
Amara steht im Türrahmen und schaut mich freundlich an.
Ich muss lachen.

"Helfen? Was willst du mir helfen?", spotte ich und winke sie herein.
Sie kommt schulterzuckend auf mich zu. Ihr Blick bleibt an meinem Bücherregal hängen.

Sofort erinnere ich mich an unseren ersten Kuss hier in meinem Büro.

"Willst du wieder ein Buch klauen?", witzel ich und greife nach einem Stift um einen Vertrag auszufüllen. Wenn ich den Vertrag abgebe, dann gehört mir der ganze Nord-Westen des Landes, inklusive die Handelsrouten nach Amerika.

"Ich habe damals nichts geklaut. Du hast es mir geschenkt!", verteidigt sie sich und will sich auf dem Sessel vor meinem Schreibtisch niederlassen, als ich sie aufhalte. Ich winke sie mit zwei Fingern zu mir an den Schreibtisch und klopfe auf meinen Schoß, als Zeichen, dass sie sich auf meine Oberschenkel setzen soll.

Zögernd kommt sie auf mich zu und lässt sich ganz leicht nieder. Ich schlinge meinen linken Arm um ihre Taille und lese mir weiter den Vertrag durch.

Nicht, dass mich noch jemand über den Tisch zieht.

"Was ist das?", fragt mich Amara neugierig und lehnt sich nach vorne.
Wenn sie weiterhin so auf meinem Schoß hin und her rückt, dann sitzt sie ganz schnell wieder woanders.
Lange halte ich das nicht aus, auch wenn ich sie gerade erst gevögelt habe.

"Ein Vertrag, es geht um die Handelsrouten im Norden.", erkläre ich ihr und setze eine Unterschrift auf die letzte Seite.

"Da stimmt was nicht.", hält sie mich auf und deutet auf einen Absatz in der Mitte des Blattes. Stirnrunzelnd versuche ich ihr zu folgen, verstehe jedoch ihr Problem nicht.

"Es gibt diesen Abschnitt nicht, von dem da gesprochen wird. Du kaufst gerade eine Handelsroute, die seit mehreren Jahren stillgelegt wurde. Sie würde dir nichts bringen, es sei denn, du willst dich mit der US Army anlegen und diesen Weg für 3 Millionen Dollar freigraben.", schmunzelt sie und lehnt sich wieder zurück.

Ich schalte den Bildschirm meines Computers an und will nach der Stelle recherchieren, als Amara hektisch von meinem Schoß aufspringt.

"Was ist?", frage ich sie irritiert.

Tränen haben sich in ihren Augen gebildet.
"Warum hast du mir das nicht gesagt?", fragt sie mit zittriger Stimme und deutet auf die Mail, die ich nicht geschlossen hatte.

Genau wegen solchen Themen, sollte sie gar nicht erst in mein Büro kommen.

Ich fahre mir durchs Gesicht.

"Ich wollte das wieder in Ordnung bringen.", erkläre ich mich, doch sie glaubt mir nicht.

"Du hast vor zwei Tagen eine Mail bekommen, dass das Grab meiner Mutter geschändet wurde, und du hältst es nicht für nötig mir Bescheid zu geben?! Stattdessen fährst du mit mir durch halb Mexiko und willst dir ne schöne Zeit machen?!", schreit sie mich fassungslos an und entfernt sich von mir, als ich vom Bürostuhl aufstehe.

"Wie kann man so abgebrüht sein!", faucht sie wütend und verzweifelt zugleich.

"Amara.", bitte ich sie stehen zu bleiben, doch sie hört nicht auf mich.
"Warum hast du mir nichts gesagt!", brüllt sie mich an.

Sie so zu sehen reißt mir fast das Herz aus der Brust. Ich hätte das mit dem Grab wieder in Ordnung gebracht und die Leiche ihrer Mutter hätte ich auch gefunden. Sie hätte nie etwas bemerkt.

"Ich bin gerade dabei das wieder in Ordnung zu bringen!", verteidige ich mich, doch kann sie nicht zur Ruhe bringen. Sie fährt sich aufgebracht durch die Haare und lässt mich nicht näher kommen.

"Du? Du musst gar nichts in Ordnung bringen! Du hast sie schließlich töten lassen."

Ich muss schlucken, weil sie recht hat. Sie hat Recht und das ist das Schlimmste für mich.

"Du hast überhaupt kein Recht irgendetwas wieder in Ordnung zu bringen, wenn du der Grund bist, warum sie da liegt! Deine einzige Aufgabe wäre es gewesen, mir oder wenigstens meinem Vater Bescheid zu geben! Nichts Weiteres wäre deine Aufgabe gewesen!"

Sie weist mich ganz schön zu Recht, aber ich nehme es ihr nicht übel, weil sie im Grunde richtig liegt.
Ich hatte nicht das Recht, die Sache alleine zu klären. Stattdessen habe ich mir das Recht herausgenommen und es hinter ihrem Rücken machen wollen.

"Es tut mir Leid. Ich hätte mit dir reden sollen.", gestehe ich mir ein und hoffe, dass sie sich dadurch beruhigen kann.

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