Kapitel 35

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Miguel

"Ich weiß, dass ich dich liebe.", antworte ich ihr.
Sie schaut mich kopfschüttelnd an.

"Und ich weiß, dass du es nicht tust.", erwidert sie.

Will sie jetzt wirklich dieses Spiel spielen?
Ich balle kurz meine Hand zur Faust, dann komme ich ihr näher.

"Hör auf mir zu widersprechen.", bitte ich sie leise.
Ich will nicht schon wieder streiten, aber sie macht es mir schwer.

"Nein. Du musst endlich aufhören, mich wie ein kleines Kind zu behandeln. Ich bin nicht mehr deine Geisel, oder Sonstiges. Ich bin erwachsen und so sollst du mich auch behandeln. Mit Respekt. Aber das kannst du nicht. Warum auch immer.", meckert sie und dreht sich dann von mir weg.

"Ich behandle dich mit Respekt, wenn du es verdient hast."

"Wie bitte? Alleine für diese Aussage hast du einen Schlag ins Gesicht verdient!", regt sie sich auf und öffnet die Balkontür, um sich auf den Balkon zu stellen.
Der Balkon zeigt zur Straße, von hier aus lässt sich die Stadt sehen, die Hauptstraße verläuft nur einen Kilometer von hier entla-

Ein Schuss reißt mich aus meinen Gedanken.
Ich ducke mich reflexartig, während Amara leblos zu Boden fällt.

Ich laufe zu ihr nach draußen.
Das Blut läuft ihren Hals entlang und trifft auf die kalten Fliesen.

"Amara!", rufe ich und klopfe ihr leicht auf die Wange, dann greife ich nach einem Shirt, das über dem Sessel hängt und halte es gegen die blutende Wunde an ihrem Hals.

"Miguel?", höre ich Xavier rufen.
"Krankenwagen! Ruf einen Krankenwagen!", brülle ich gestresst zurück.
Xavier betritt das Schlafzimmer und hat das Handy bereits am Ohr, bevor er auf uns zu kommt.

"Dios!", flucht er und hilft mir.

"Amara, mi amor. Wach auf!", flehe ich sie an.
Sie hat die Augen geschlossen.

Ihr Gesicht sieht friedlich aus, während sie dort so liegt.

Irgendwie befreit.

Ich drücke das mittlerweile rote Shirt noch fester gegen ihre Wunde.
Xavier telefoniert währenddessen mit der Notrufzentrale und reicht mir ein Laken, damit ich das Shirt austauschen kann.

Das heiße Blut klebt in Amara's blonden Haaren und die schönen Lippen hat sie leicht geöffnet.

"Wann kommen die denn!", schreie ich Xavier an, der versucht Amara aufzuwecken.

Erfolglos.

"Die sind gleich da.", erwidert er gestresst.
"Atmet sie noch?", frage ich ihn, während ich mit aller Kraft das Stück Stoff gegen den Hals presse.
Ich habe das Gefühl, dass es nicht hilft, aber ich gebe nicht auf. Wenn die Blutung nicht aufhört, dann hat sie nur 3 Minuten. 3 Minuten, die darüber entscheiden, ob sie leben oder sterben wird.

"Ja, schwach, aber sie atmet noch."

Ein Stein fällt mir vom Herzen.
Sie ist noch nicht tot.

"Wer zur Hölle war das!", fragt mich Xavier nervös und drückt seine Hände auf meine.
Ich schüttle mit dem Kopf.

"Ich weiß es nicht.", gebe ich erschöpft zu.
Erleichterung macht sich in mir breit, als wir die Sirenen der Rettungskräfte hören.

"Ich gehe.", teilt mir Xavier mit und verlässt den Balkon, um den Notarzt reinzulassen.
Keine Minute später höre ich schwere Schritte.

"Machen sie Platz.", herrscht mich ein Sanitäter an und schiebt mich an die Seite.
Er legt ihren Kopf auf seinen Schoß, schaut sich die Wunde an und drückt dann das Tuch wieder an die verwundete Stelle.

"Wundpflaster.", bittet er seine Kollegen, die ihm direkt ein großes, weißes reichen.
"Zugang legen und 0,5 mg Fentanyl, ¡rapido!"

Ich stehe nur da und schaue zu.
Schaue zu, wie sie meine Frau versorgen und wie sie versuchen ihr das Leben zu retten.
Wie sie das Pflaster und den Druckverband anlegen.

Ich streiche wie in Trance meine Hände an meiner Hose ab, doch das Blut will nicht verschwinden.
Es verschwindet einfach nicht.

"Ich fahre mit.", bestimme ich, als sie Amara auf die Trage heben.
Sie schauen mich erst skeptisch an, dann nickt einer als Bestätigung. Schnell werfe ich mir einen Pullover über und ziehe hastig meine Schuhe an, bevor ich den Sanitätern zum Rettungswagen folge.

"Hat sie eine Krankenversicherung?", fragt mich ein anderer, während sie Amara in den Krankenwagen schieben.

"Wie bitte?! Meine Frau stirbt vielleicht und sie haben nicht besseres zu tun, als mich zu fragen ob sie eine Versicherung hat?!", fauche ich wütend und bin kurz davor diesem Schwein in die Fresse zu hauen.

"Aber Señor-"

"Nicht Señor! Sie fahren sie gefälligst in das beste Krankenhaus, das hier in der Nähe ist, comprende?", unterbreche ich ihn und steige in den Krankenwagen.

Amara's Haut ist schon ganz blass und ihr Blut klebt überall.
Ein Sanitäter reicht mir ein Klemmbrett mit einem Zettel, auf dem ich alle Daten von Amara eintragen soll.
Dann schließt er eine Flasche Sauerstoff an und legt Amara einen Schlauch unter die Nase.

"Sie hatte Glück, dass sie vor Ort waren.", beginnt er und will ein Gespräch mit mir anfangen, doch ich ignoriere ihn.

Mi amorDonde viven las historias. Descúbrelo ahora