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Wie Magret es gestern vorgeschlagen hatte, ging ich mit Josephine etwas für das Erschaffungs-Fest kaufen. Magret hatte mir sozusagend einen Teil meines Lohnes im Voraus gegeben und davon würde ich mir heute etwas kaufen.

Es war nicht so voll auf unserem Weg, zu Josphines Lieblingsladen, wo sie sich unbedingt ihr Kleid kaufen wollte.
„Das ist der Beste im ganzen Dorf!", hatte sie behauptet.
Carisa war gerade in der Schule, Magret, Erik und Camilia arbeiteten in Gasthaus, während Josephine und ich die Pause zum Shoppen nutzten.

„Hast du schon irgendwas bestimmtes im Sinn?", fragte Josephine plötzlich neben mir und ich drehte meinen Kopf zu ihr. Meine Haare wippten ungewohnt leicht, wegen meiner neuen Frisur, ein wenig mit.
„Nein, nicht wirklich. Du?"
Josephine nickte: „Ich will definitiv ein Kleid, am besten mit Spaghettiträgern."
Ich nickte geistesabwesend. In Gedanken wieder mal an die Schule, auch wenn man mir von außen (hoffentlich) nichts ansah.
„Wo kommst du eigentlich her?"
Überrumpelt von dem plötzlichen Themenwechsel blinzelte ich. „Was?"
„Wo kommst du her?", wiederholte Josephine die Frage und wartete auf eine Antwort.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Woher ich kam? Von der Schule, wo ich fünfzehn Leute ermordet habe.
„Irgendwoher. Drei Tage von hier.", antwortete ich ausweichend. Josephine kniff die Augen leicht zusammen. „Und wieso bist du von dort weggegangen?", wollte sie wissen. Ich schaute wieder gerade aus.
Nach einer kleinen Pasue sagte ich dann: „Ich musste weg. Dort habe ich es nicht mehr ausgehalten." Wieder eine ausweichende Antwort, die am Anfang auch der Wahrheit entsprach.

Josephine hatte die Augen immer noch zusammengekniffen und schien noch nicht aufhören zu wollen mich auszufragen.
„Was war das gestern?", sie meinte meinen Vorfall mit den Wein.
„Meine Tollpatschigkeit", sagte ich knapp und suchte nach einem Kleiderladen, der der sein könnte, zu den wir wollten. Ich hoffte so Josephines Verhör entgehen zu können.

„Du weißt, was ich meine", sie warf einen Blick auf meine kurzen Haare. Ich schlug die aufsteigenden Bilder meiner blutenden Kleidung und Hände nieder und antwortete: „Das geht dich nichts an!"
Das war eine Spur zu heftig und Josephine kniff die Augen weiter zusammen. Meine plötzliche Heftigkeit überraschte auch mich.

Schnell horchte ich in mich hinein, ob die kalte Wut des Dunklen Mondes da war. War sie nicht, da war nur Leere und Kälte.

Josephine stellte mir nun gottseidank keine Fragen mehr und wir kamen in Schweigen bei ihrem Lieblingsladen an. Eine kleine Boutique mit weißen Anstrich und einem einladenden Schaufenster.

Über uns klingelte eine helle Glocke, als wir eintraten und eine Frau an der Kasse mittleren Alters hob den Kopf. Sofort lächelte sie Josephine zu: „Hallo, Josephine!" Ihr lächeln wirkte echt, nicht dieses Kundenlächeln, was die Verkäuferinnen sonst immer aufsetzten.
Josephine grüßte zurück und erklärte sofort: „Wir brauchen Kleider für das Erschaffungs-Fest."
Die Verkäuferin nickte wissend: „Ah ja. Wir hätten einige hier." Sie zeigte uns ein Haufen Kleider, die am Bügel hingen. Größtenteils weiß aber Cremefarben war auch dabei.

Die Verkäuferin zog eines mit Spitzenärmeln raus und hielt es in die Höhe: „Wie wärs damit?"
Josephine legte den Kopf schief und betrachtete es. Mir persönlich war es zu Mädchenhaft. Ich würde eher etwas schlichteres nehmen.
Letztendlich schüttelte Josephine den Kopf. „Haben sie eines mit Spaghettiträgern?", erkundigte sie sich und die Verkäuferin zog ein neues hervor. Mit Spaghettiträgern und einer Schleife als Gürtel. 
Josephine nahm es leicht lächelnd und fühlte den Stoff. „Ich gehe es mal anprobieren!", meinte sie und verschwand.

Mit einem Lächeln, dass ebenfalls aufrichtig wirkte, wandte sich die Verkäuferin nun mir zu.
„Und was möchtest du gerne haben?"
„Ein Kleid, das einigermaßen bequem ist", überlegte ich, „und wo man sich gut bewegen kann."
So ein Kleid war besser, falls Alenia oder die Hunter mich finden sollten. Auszuschließen war es nicht und notfalls musste ich schnell verschwinden können. Ich hoffte zwar, dass ich hier für eine Weile sicher sein würde, aber ich durfte nicht unvorsichtig werden. Es war unwahrscheinlich, dass sie genau am Erschaffungs-Fest hier auftauchen würden, aber unmöglich war es nicht.

Lillith das schwarze Element Where stories live. Discover now