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Lillith
Wir waren von den Tunnel in einem ganz anderen Wald aufgetaucht. Hier waren viel mehr Nadelbäume und viel mehr Moos. Laut Alenia lag dieser Teil im Westen und in der Nähe der Stadt Felicias. Die Stadt des Glücks, wie Alenia sie nannte.

„Stadt des Glücks?", wiederholte ich, „Wieso das denn?"
Alenia wandte ihr Gesicht mir zu. Ihr Haut war hell unter der Mittagssonne. Aber es wehte auch ein kalter Luftzug, der den Herbst ankündigte.

„Die Stadt ist bekannt für den Handel. Wenn du irgend etwas suchst, findest du es dort. Außerdem können dort viele Leute Fuß fassen und ihr Geschäft erfolgreich verkaufen. Irgendwie finden sie dort mehr Kunden als sonst wo.", Alenia rückte ihre Tasche zurecht, die sie sich quer über die Schulter gehangen hatte. „Lasst uns weiter gehen. Es ist noch ein Stück."
Mit einem Nicken unterbrach Devon die braune Stute beim Grasen, damit wir losreiten konnten. Die Stute schnaubte empört, gehorchte aber. Geübt wie immer stieg Devon auf und hielt mir die Hand hin. Ich nahm sie schweigend. Sie war warm und schwielig. Aber nicht so schwielig, dass es kratzte.

Mit einem Ruck zog er mich hoch, sodass ich mein Bein über das Pferd schwingen konnte. Augenblicklich umgab mich sein Duft nach Wald und mein Bauch kribbelte.

Devon nahm die Zügel in die Hand und drehte sich zu Alenia: „Es wird sehr eng werden aber du passt noch drauf."
Zur Antwort begann Alenia zu schweben und flog voraus: „Ich schaffe das auch so"

Während des sanften Traben des Pferdes sah ich mich um. Die Sonne schien durch das Blätterdach und malte fleckige Schatten auf den Boden und auf uns. Sie wanderten über Devons Rücken und meine Arme, während wir vorwärts ritten. Alenia flog neben uns, führte uns aber. Vögel zwitscherten und ganz selten hörte ich ein Hoppeln oder etwas kleines durch das Gebüsch flitzen. Vielleicht ein Eichhörnchen oder eine Maus?

Hin und wieder streifte mich ein herabhängender Ast eines Baumes, während das Pferd unter mir trabte. Äste knackten unter den Hufen des Pferdes.

„Devon?", er drehte den Kopf leicht zu mir, aber achtete immer noch auf den Weg. Ich schluckte einmal und sah auf den Boden.
„Wenn wir bei den Savern sind... wirst du bleiben oder... oder gehst du woanders hin?"
Warum ich so leise und zögernd redete war mir selber nicht ganz klar. Vielleicht weil ich wollte, dass er mit mir blieb und Angst vor der Antwort hatte. Er bedeute mir etwas. Und ich rechnete es ihm groß an, dass er mich befreit hatte. Schließlich musste er sich dafür mehr oder wenig von den Huntern lossagen, denen er sein ganzes Leben lang gedient hatte. Er war dort großgeworden, hatte dort Freunde und einen Vater.
Er hatte das alles nur für mich aufgegeben.

„Ich werde bei dir bleiben", mir wurde warm ums Herz und ein eigensüchtiger Teil von mir freute sich, dass er nicht wegging. Aber so schnell das Gefühl gekommen war, so schnell verschwand es auch wieder und die Leere nahm den Platz ein. Die Wärme entglitt mir wie ein Blatt im Wind. Bevor ich es wirklich hatte, flog es plötzlich davon.

„Mal davon abgesehen, dass ich dich nicht einfach ihnen überlassen will", fuhr er fort und ich sah sein kleines Lächeln, bevor er wieder nach vorne sah, „Ich möchte mehr über die Leute erfahren, mit denen meine Mutter gearbeitet hat."
Ich nickte verstehend. Natürlich.

„Wisst ihr, ich werde nicht bleiben.", Alenia hatte uns zugehört und klinkte sich jetzt auch in unser Gespräch ein. Sie flog immer noch aufrecht neben uns, ungefähr auf Augenhöhe.
Sie sah kurz zu mir und dann wieder weg: „Ich gehe dann zurück zur Schule."

Ich verkrampfte mich und presste die Lippen aufeinander. Die Schule, in der ich Blut und Schmerz vergossen hatte. Ein Ort, den ich nie wieder besuchen würde.

Lillith das schwarze Element Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt