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Devon
Das war zu leicht gewesen.
Wir hatten Lillith in der Gasse überrascht, aber sie hatte sich und ihre Freunde sofort verteidigt. Hat alle Angriffe abgewehrt und das so, dass die Familie hinter ihr nicht getroffen wurde. Ihr schien etwas an diesen Leuten zu liegen, sonst würde sie sie nicht beschützen. Sie hatte es nämlich selbst dann noch getan, als Max alles nach und nach offenbart hatte.
Sie hat sie also nicht beschützt, damit ihr Geheimnis nicht aufflog.

Ich hielt meinen Blick auf den Wald vor uns gerichtet, während Lillith und John auf einem Pferd hinter mir trabten.
Aber als ihre Freunde vor ihr geflüchtet waren, hatte sie die Verteidigung ersterben lassen. Sie hatte nicht mehr für sich gekämpft, aber für ihre Freunde vorher schon. Auch wenn es ihr Leben war, das auf dem Spiel stand.
Sie hatte in dem Moment aufgehört zu kämpfen, als die anderen wegrannten. Lillith hatte nie für sich selbst gekämpft, nur für die Leute, die sie jetzt vielleicht hassten oder fürchteten. Sie hatte auch nicht aufgehört die Kuppel aufrecht zu erhalten. Das hatte Lillith erst getan, als sie sicher sein konnte, dass ihre Freunde aus der Gefahrenzone fliehen konnten.

Inzwischen war es schon recht dunkel geworden, deswegen hielten wir bei einer kleinen Lichtung an und stiegen von unseren Pferden. John hievte Lillith runter und packte sie sofort an einem Arm, damit sie keinen Fluchtversuch startete. Das war aber eigentlich unnötig. Lillith hatte sich überhaupt nicht angespannt oder sich irgendwie gewehrt. Sie stand einfach mit schlafen Gliedern neben John, der einen guten Kopf größer war als sie.

„Devon. Pass auf sie auf. Ich werde die Zelte aufbauen.", sagte John und schob Lillith zu mir rüber. Sie ging mit und dabei rasselten ihr schwarzen Fesseln. Die breiten Ringe um ihren Handgelenken waren mit eine Kette aus dem selben Gestein miteinander verbunden und eben diese Kette klimperte bei jedem ihrer Schritte.
Wir nannten diesen Stein Trackles. Er unterband jede Art von Magie, sogar die von Lillith.

Auch ich hielt sie am Arm fest, auch wenn es unnötig schien. Es könnte sein, dass sie nur so tat damit unsere Wachsamkeit nachließ und sie sich davon stehlen konnte.
Aber tief im Inneren glaubte ich das nicht. Warum auch immer.

Trotzdem führte ich sie zu einem umgestürzten Baumstamm und sie setzte sich schweigend hin. Ich blieb vor ihr stehen, die Hände griffbereit in der Nähe meiner Messer.
Sie saß einfach da. In ihren weißen Kleid vom Fest und von Zöpfen durchzogenen schwarzen, kurzen Haar. Ihre Augen waren ins Leere vor ihr gerichtet. Ich konnte nicht ausmachen, welche Farbe sie genau hatten, ihre Augen wurden von den langen Wimpern verdeckt.
Ich schaute schnell woanders hin. Ich sollte mir das garnicht so genau ansehen.

Ich verschränkte die Arme und schaute den anderen zu. Ellie und Max entzündeten das Feuer, während John die Zeltplanen rausholte.
Lillith neben mir bewegte sich und ich fuhr herum, um sie aufzuhalten. Meine Alarmbereitschaft war allerdings unbegründet, sie hatte nur die Sitzposition geändert und schaute nun auf ihre beiden Hände. Die Hände, die fünfzehn Schülern das Leben gekostet hatten.

Plötzlich hob Lillith den den Kopf und richtete ihre Augen auf mich.
„Wann wollt ihr mich töten?"
Die Frage veschlug mit kurz den Atem. Es war nicht, dass sie fragte ‚Wieso töten ihr mich nicht?'. Sie fragte wann. Nicht ob wir sie töten sondern wann.
Sie war bereit zu sterben, sie hatte es akzeptiert. Und sie schien sich nicht davor zu fürchte, es sogar zu wollen.
Nachdem ich meine Sprache wieder gefunden hatte, antwortete ich: „Wir werden dich nicht töten."

Überraschung tauchte in ihren Augen auf und kurz darauf Verwirrung. Wie als könnte sie das nicht verstehen.
„Warum?" ich habe es verdient. Sie sprach es nicht aus, aber ich hörte die ungesprochenen Wörter trotzdem.

„Wir bringen dich zu unserem Lager, zu mehr Huntern. Das ist unser Auftrag."
Lillith wandte den Kopf ab und schaute an mir vorbei zu den anderen: „Und dort tötet man mich."
„Das wissen wir nicht. Uns wurde nur gesagt, dass wir dich dahin bringen sollen. Befehl von Er."
„Wer ist Er?"
Etwas an ihrer Stimme war anders. Sie hörte sich nicht so an, wie als ich sie zum ersten Mal angegriffen habe. Diese Stimme war lebhafter gewesen. Jetzt... ist da nichts. Es ist nur eine Stimme. Ohne Gefühle.

Lillith das schwarze Element Where stories live. Discover now