81

4.6K 334 65
                                    

Ich blieb lange so sitzen. Die Beine an den Körper gezogen und mich selbst umklammert. Unter mir war der harte Boden der Tunnel, vor mir flackerte mein wärmendes Feuer. Rechts und links von mir lagen meine bewusstlosen Freunde.
Ich sah zu Devon und die vielen Schnitte, die jetzt auf seinem Oberkörper prangten. Unterschiedlich groß und tief.
Mein Blick wanderte weiter zu Alenia. Gegen ihre Brandblasen konnte ich nichts tun. Ich hatte keine Salbe oder irgendwas. Eigentlich hatten wir gar nichts mehr. Unsere Waffen und alles was wir hatten, war weg. Mein Vater hatte es an sich genommen.

Sorge um meine Freunde schnürte mir die Kehle ab. Würden sie ohne Hilfe wieder aufwachen? Ich kannte mich mit sowas doch garnicht aus!
Plötzlich fühlte ich mich unfassbar hilflos.

Du kannst nichts tun.
Ich zuckte heftig zusammen, als die Stimme wieder in meinem Kopf erschallte. Ich hatte vergessen, dass er wieder da war.
Ich sah auf meine freien Handgelenke, die sich ohne meine Fesseln seltsam nackt anfühlten. Ich hatte mich an die Fesseln mehr oder weniger gewöhnt, hatte sie willkommen geheißen. Aber jetzt war dort nur noch ein Streifen hellerer Haut.
Du hättest diese Fesseln nicht ewig haben können.
Doch. Ich hätte dich nicht freilassen sollen. Jetzt sind drei Menschen tot.
Und deine Freunde gerettet.
Ich hätte sie nicht töten müssen!
Das stimmt. Aber du wolltest es.
Nein!
Das hatte ich nie gewollt. Niemand sollte mehr wegen mir sterben. Das hatte ich fest entschieden.
Ich habe dir die Macht gegeben, du hast sie geführt.
Du hast meinen Körper gelenkt.
Du hast die Kontrolle gehabt. In diesem Moment waren wir eins. Meine Macht hat sich mit deinem Geist verbunden und du hast sie gelenkt. Deine Wut hat sich mit meinem Wesen vermischt.

Ich schleuderte ihn zurück in eine Ecke meines Inneren und vergrub meine Hände in meinen Haaren.
Nie und nimmer hatte ich mich mit ihm verbunden. Er war das abgrundtiefe Böse, etwas, was ich nicht sein wollte. Dagegen sträubte ich mich doch die ganze Zeit: der Dunkle Mond zu werden. Das Monster in meinem Inneren zu sein.

Aber vielleicht war ich das schon längst?
An Blutmond hatte ich mich gewehrt, im Hunter Lager hatten ich ebenfalls keine Kontrolle gehabt.
Aber hier?
Ich hatte die Magie gelenkt. Ich hatte der Frau das Messer ins Herz gestoßen, den Mann erdolcht und dem Jungen das Genick gebrochen.
Ich schluchzte auf.

Ich bereute es nichtmal! Die Tode lasteten schwer auf mir, aber diese drei bereute ich nicht. In mir klang immer noch die Wut nach, denn sie hatten meine Freunde gefoltert. Sie hatten ihnen wehgetan.
Ich hätte es wieder getan. Und diese Tatsache machte mir Angst.

„Lillith?"
Mein Kopf schoss hoch. Devon hatte die Augen schwach geöffnet und er sah mich an. Sofort löste ich meine Sitzposition und kniete mich hin.
Er runzelte die Stirn: „Du weinst."
Ich fasste mir an die Wange und wischte die nassen Tränen schnell weg: „Unwichtig. Wie fühlst du dich?"
Er versuchte sich zu bewegen, verzog aber sofort das Gesicht.

Wut stieg auf und ich drückte sie panisch runter. Wenn ich jetzt die Kontrolle verlor, gab es keine Fesseln, die sie aufhielten.

„Bleib liegen. Ist es bequem? Tut es trotzdem weh?", besorgt musterte ich ihn.
Er nickte leicht mit dem Kopf: „Es ist sehr bequem. Wieso ist der Boden so-"
Seine Hand fuhr durch das grüne Moos unter ihm und er runzelte die Stirn. Dann sah er mich überrascht an: „Deine Fesseln..."
Ich hob stumm eine Hand und zeigte ihm mein leeres Handgelenk.
Sofort weiteten sich seine Augen alarmiert: „Da ist Blut an deiner Hand! Bist du verletzt?"

Blinzelnd betrachtete ich meine rote Hand und ließ sie schlaff wieder sinken.
„Ich bin nicht verletzt.", murmelte ich leer, „Das ist nicht mein Blut."

Lillith das schwarze Element Where stories live. Discover now