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Lillith
Ich stieß die Türen des Theaters auf und hetzte aus dem Gebäude. Die heiß ersehnte Luft schlug mir ins Gesicht und die Sonne wärmte meine Haut. Was sie jedoch nicht wärmen konnte, war die tiefe Kälte in meinem zerbrochenen Innern. Die umherlaufenden Bewohner und Reisenden nahm ich nur am Rand wahr. Genauso streifte ihr Blick mich nur flüchtig. Sie wussten nicht wer ich bin. Sie wussten nicht was ich getan hatte.

Tief atmete ich ein und aus. Tatsächlich füllten sich meine Lungen wieder richtig mit Luft und mein Herzschlag beruhigte sich. Aber meine Gedanken rasten weiter.

Schuld. Alles meine Schuld. Ich habe sie getötet. Jedem einzelnen von ihnen habe ich ins ängstliche Gesicht gesehen und sie mit Freuden und Genuss umgebracht. Ohne Skrupel, ohne Gnade.

In mir war es kalt. Schon seit einer ganzen Weile und es blieb unverändert. Aber ich konnte mich nicht daran gewöhnen. Es machte sich jedes Mal auf Neue bemerkbar.
Vielleicht war das ja wirklich das Ergebnis einer verrottenden Seele, wie man es in meinem Traum gesagt hatte. Meine menschliche Seele starb ab und würde dem Monster Platz machen, das in mir ruhte. Alles was es aufhielt waren diese Trackles-Fesseln.
Dunkel sah ich meine Handgelenke an und ein verzweifeltes Schluchzen kam in mir hoch.
Deine Strafe wird es sein mit dir selbst zu leben. Mit den menschlichen Resten deiner verdorbenen Seele.

Wie lange würde ich so leben? Stetig in Angst vor mir selbst und nicht in der Lage das Geschehene an Blutmond hinter sich zu lassen? Unfähig, etwas anderes in sich zu sehen als ein blutrünstiges Monster. Machtlos irgendetwas gegen das sterbenden Innere auszurichten oder an den Erinnerungen zu Grunde gehen.

„Lillith?", warme Hände legten sich auf meine Schultern und drehten mich sanft herum. Devons Gesicht sah mich besorgt an. Ich schwieg, aber er las alles in meinen Augen.
Ohne etwas zu sagen, zog er mich in eine feste Umarmung. Sofort schmiegte ich mich an ihn und fühlte mich getröstet. Es machte mein Inneres nicht besser, aber irgendwie war es schön.

Sowohl seine Wärme als auch sein Geruch nach Wald umhüllten mich.
„Wir hätten nicht in dieses dämliche Stück gehen sollen.", murmelte Devon und strich mir sachte über den Rücken, während ich mich immer noch in seinen Armen vergraben hatte. Ich war ihm so nah, dass ich sein schneller schlagendes Herz hören konnte. Meines flatterte in seiner Nähe ebenfalls.
„Glaubst du mein Vater ahnt etwas?"
Devon erriet, was ich meinte: „Weil du aus dem Saal gerannt bist? Ich glaube nicht. Er wirkte ziemlich überrascht aber nicht misstrauisch, als du plötzlich aufgestanden bist. Valor wollte sogar hinterher, aber ich bin ihm zuvor gekommen."
„Ich bin froh dass du es bist", ich sah zu ihm hoch. Er sah warm zu mir hinunter und lächelte mich an.
„Schön, dass du so denkst.", sein Blick fiel langsam auf meine Lippen.

„Lillith! Geht es dir gut?"
Fast schon wehmütig verließ ich Devons wohlige Wärme und wir drehten uns zu meinem Vater um. Alenia stand hinter ihm und grinste mich wissend an. Es war das gleiche Grinsen mit dem sie uns morgens erwischt hatte.

Ich setzte ein leichtes Lächeln auf und beantwortete Valors Frage: „Ja. Es ist alles in Ordnung. Ich kann nur kein Blut sehen."
Um meine Lüge zu unterstützen legte ich eine Hand auf meinen Bauch: „Mir ist einfach fürchterlich schlecht geworden."
Valor schien erleichtert und erwiderte verstehend mein Lächeln: „Dann wird dir die frische Luft guttun."
Ich nickte und sah wieder zu Devon.

Er war jedes Mal da wenn es mir schlecht ging. Er hatte mich aus meinen Albtraum gerissen, war bei mir geblieben und hatte mir auch jetzt geholfen. Obwohl er nicht viel gesagt hatte.

Allem zu Trotz wurde mir warm. Für einen ganz kleinen Moment.

~•~

Lillith das schwarze Element Where stories live. Discover now