18 • Talia

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Mein Kopf dröhnt. So dermaßen, als wäre er unter eine Kutsche gelangt. Eine Kutsche mit schweren Goldverzierungen, gerade so vielen Insassen, dass sie nicht platzt, und galoppierenden Pferden - genau so fühlt es sich an.

Pferde.
Ich wollte mir ein Pferd borgen. Abrupt öffne ich die Augen, brauche einen Moment, um zu wissen, wo oben und unten ist. Als ich mich aufsetze, dreht sich der Raum um mich. Ich kneife die Augen zusammen, versuche Stabilität zu erlangen.

"Ganz langsam."
Eine Hand legt sich auf meinen Rücken. Erschrocken rutsche ich zur Seite und falle. Mit voller Wucht knalle ich erbarmungslos auf den Boden, ein Stechen schießt mir durch die Schulter. Scharf ziehe ich die Luft ein, unterdrücke einen Schrei. Der Schmerz treibt mir die Tränen in die Augen. Ich drehe den Kopf, sehe verschwommen meinen völlig verdrehten Arm in der Luft, die Fessel um das Handgelenk. Das Blut weicht mir schlagartig aus dem Gesicht. Wo bin ich hier bloß gelandet?

Abgehackte Schritte, dann bahnen sich frisch polierte Schuhe den Weg in mein Sichtfeld. Schuhe, die ich nicht kenne, genauso wie die dazugehörige Stimme. Aber eines weiß ich - ich wurde bewusstlos geschlagen und angekettet. Das ist kein gutes Zeichen.

"Nicht so stürmisch."
Hände packen mich unter den Armen und hieven mich in die Höhe. Ich schreie auf, meine Schulter scheint vor Schmerzen zu explodieren. Ich will mich aus dem Griff winden, doch er ist zu stark. Erst als ich auf der Liege sitze, die Beine wie leblos in der Luft hängen, lässt er mich los.

"Das sieht nicht gut aus."
Ich versuche den Kopf zu heben, mir ein Gesicht einzuprägen, doch schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen. Bloß nicht. Jetzt noch einmal bewusstlos zu werden, wäre keine gute Idee. Das hat mich erst hierher gebracht. Also senke ich den Kopf, starre wie benommen auf meine Beine.
Wach bleiben, einfach nur wach bleiben.

Er tastet meine Schulter ab, murmelt etwas vor sich hin. Obwohl ich seine Berührung abschütteln möchte, ist mein Körper zu schlaff. Also benutze ich das, was mir noch bleibt. Meine Stimme.
"Bitte ni-"

Ohne Vorwarnung packt er meinen Arm und dreht ihn nach vorne. Ich beiße mir auf die Lippe, presse die Augen zusammen. Meine Schulter knirscht, ein Schmerz zuckt kurz hindurch. Dann ist es besser, deutlich besser, dennoch weit entfernt von gut.

Als das benommene Gefühl abebbt, schaue ich mich geschwind im Raum um.
Der Mann ist etwa in Torins Alter, doch gleicht ihm ansonsten kein bisschen. Torin ist gepflegt, ruhig, wirkt wie ein Fels in der Brandung. Dieser hier ist wie ein ungezähmtes Raubtier, ein wachsamer Blick, muskulöser Körper und ein grober Griff. Hinzu kommt das am linken Arm zerfetzte Oberteil, welches im kompletten Widerspruch zu seinen feinen Schuhen steht. Hinter ihm erhasche ich durch ein Fenster einen Blick auf die Finsternis der Nacht. Ist es noch dieselbe oder war ich längere Zeit bewusstlos?

Mein Blick gleitet weiter über die schmucklosen Wände bis zur Türe. Direkt daneben steht ein Junge, ebenfalls stämmig gebaut. Die Arme sind straff hinter dem Rücken gekreuzt, sein Blick gleitet geradewegs an mir vorbei.
"Was wollt ihr von mir?", frage ich. Dass sie es nicht gut mit mir meinen, beweißt die schwere Kette um mein Handgelenk.

"Keine Sorge, Engelchen, wenn du dich gut machst, kommt dir nicht zu schaden, dass du dich nicht selbst heilen kannst."
"Woher-?"
"... ich das weiß?" Ein schiefes Grinsen ziert sein Gesicht. "Sagen wir so: die Heilung fasziniert seit geraumer Zeit alle Reiche. Sonelem kann sich glücklich schätzen, dass du auf seiner Seite stehst."

Schlagartig weicht mir das Blut aus dem Gesicht, als sich mir die Bedeutung seiner Worte offenbart. Der Dienst. Der Mann wird sicherstellen, dass ich meinen Teil dazu beitrage. Haben sie etwa Luan geschnappt? Ist er nicht nur für Ash, sondern auch für sie ein Druckmittel? Oder zerlegt doch der hasserfüllte Magier gerade meinen Bruder in Einzelteile, sollte ihm mein Plan nicht gut genug gewesen sein?

InhumanityWhere stories live. Discover now