52 • Ash

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Einmal Klopfen genügt. Runa ist schnell auf den Füßen, auch wenn sie eine Nachteule ist und lieber morgens eine, gerne auch zwei Stunden länger schläft als die Arbeiter, die sich gerade in den Gassen tummeln.

"Komme."
Ihre nackten Fußsohlen klatschen auf dem Boden, dann öffnet sie die Tür. "Na sieh mal einer an - Ashton Monroe. Welch eine Ehre."

Sie drückt die Tür weiter auf, winkt mich hinein in die Mischung aus verbrauchter Luft, Vanille und Seife. Und einen Duft, den ich nicht zuordnen kann.
"Hattest du Besuch?"
Sie legt den Kopf schief, verschränkt die Arme vor der Brust. "Stört dich das etwa?"

Nur zu gerne würde sie eine Bestätigung bekommen, doch ich schweige. Mich stört, dass Simon bei Talia ist. Dass er versuchen wird, sie umzustimmen. Dass ich wertvolle Zeit darauf verschwende, zu überlegen, ob ich diesen Geruch bereits schon einmal wahrgenommen habe. Woher sollte ich auch? Sie wird irgendeinen Menschen zu ihrem Vergnügen aus einer Bar abgeschleppt haben.

Ungeachtet ihrer Frage komme ich sofort auf den Punkt. "Erinnerst du dich noch an den Magier, der mich vor nicht allzu langer Zeit in Riyak aufgesucht hat? Blond, Narbe in Nähe des Auges-"
"Und äußerst stürmisch? Natürlich. Danach hattest du deine Simon-Krise."
Eigentlich war es eine Halte jede, auch nur erdenkliche Gefahr von Talia fern-Notlüge, aber das muss sie nicht wissen.

"Genau diesen. Er ist dir nicht zufällig im Palast über den Weg gelaufen, oder?"
"Zumindest wurde seine Leiche nicht an mir vorbeigetragen, wenn das ist, was du wissen möchtest."

"Oh nein, ihn möchte ich nicht tot sehen", stelle ich klar, greife nach einer eingerollten Karte. Ganz Sonelem präsentiert sich mir: von den felsigen Küsten im Westen bis zu den mächtigen Bergen im Osten, nichts weiter als harmlose Striche einer Feder. Solange ihr Blut ihn nicht im Zentrum bestimmt, gibt es wenig Grund zur Sorge.

"Denkst du etwa, dass er sich dem Dienst angeschlossen hat?"
"Nicht freiwillig."
Missbilligend verengt Runa die Augen. "Warum schaust du dich nicht selbst im Palast um?"
"Lucius ist nicht gut auf mich zu sprechen."

Sie schenkt sich würzigen Tee ein. Zu meiner Überraschung reicht sie mir die Tasse. Ich schlage sie nicht aus - Runa hat offensichtlich Unterhaltungsbedarf. Da ich jedoch etwas von ihr möchte, werde ich mich wohl oder übel darauf einlassen müssen, obwohl ich nur zu gerne bereits wieder in Meral wäre.
"Sag bloß, du hast dich einem Auftrag widersetzt."

Der Duft von Kräutern, Zitrone und exotischen, mir fremden Früchten zieht mir in die Nase. Was auch immer sie vermischt hat, es riecht besser als es schmeckt. Der bittere Geschmack auf der Zunge ist geradezu widerlich und verlangt mir reichlich Beherrschung über meine Mimik ab.
"So kann man es sagen. Ist etwas kompliziert."
"Kompliziert hört sich spannend an." Sie lässt sich auf den nächstbesten Stuhl fallen, befüllt eine weitere Tasse. "Und ich bin bereit für Spannung."

Liebe Götter im Himmel, das kann doch jetzt nicht wahr sein! Ich werde sicherlich nicht meine Zeit dafür verschwenden, Runa mit weiteren Lügen vollzutexten. Denn die Wahrheit werde ich ihr nicht auftischen.
"Simon hat..." Der Tee sackt schwer in meinen Magen. Wüsste ich es nicht besser, wäre ich mir sicher, dass sein Geschmack sich einmal quer durch meinen Körper zieht, meine Beine schwach werden lässt. "Er-"

Ich schaffe es auf den Stuhl, bevor meine Beine wegknicken können. Dafür kann unmöglich die Verletzung des gestrigen Abends verantwortlich sein. Sind sie etwa gerade eingeschlafen?
Besorgt runzelt Runa die Stirn, will nach mir greifen und stößt dabei die Tasse um. Der Tee färbt die Karte dunkel, das Porzellan prallt dumpf auf den Teppich.
"Alles gut?"

Eine Tür im Stockwerk darunter öffnet sich quietschend. Die Frage, welche Kräuter und Früchte sie da miteinander vermischt hat, brennt mir auf der Zunge, da nähern sich Schritte auf der Treppe. Drei oder vier - sie laufen beinahe im Gleichschritt und erlauben mir keinen Durchblick. Den brauche ich auch nicht. Ich verstehe sofort, was hier passiert. Meine Beine, der Tee, die scheinbar zufällig auf den Boden gefallene Tasse als Zeichen zum Zugriff.

InhumanityDär berättelser lever. Upptäck nu